Tropico 6
- Genre:
- Herausgeber:Kalypso Media
- Plattform:
- Erscheinungsdatum:März 2019
- USK:nicht geprüft
- spielbar:
Tropico 6 ist eine Wirtschafts- und Politiksimulation mit einem ausgeklügelten Spielsystem, das problemlos an Titel wie „Anno“ oder „SimCity“ heranreicht. Die Aufgaben sind die typischen des Genres: der Bau von Gebäuden und Infrastruktur, der Abbau von Rohstoffen, die Verwaltung von Produktionsstätten. Waren können importiert und exportiert werden, mit anderen Staaten können Handelsverträge geschlossen werden. Ein zusätzlicher Wirtschaftszweig ist der Tourismus.
Die Arbeit als „El Presidente“ umfasst sowohl innen- als auch außenpolitische Aufgaben. Die Bevölkerung muss zufrieden gestellt werden. Die Ansprüche der Bevölkerung sind sehr differenziert: Nahrungsqualität und Gesundheitsversorgung zählen genauso dazu wie Sicherheit und Freiheit. Die Bedürfnisse werden durch das Bauen bestimmter Gebäude und den Einsatz von Ressourcen gestillt. Nur die zufriedenen Menschen stimmen bei den Wahlen für den Präsidenten. Vergrault man die Leute zu sehr, ist die Amtszeit und damit das Spiel zu Ende.
Eine Besonderheit der Reihe Tropico ist die Tatsache, dass sich die Menschen einzeln anklicken und beobachten lassen. Sie haben eine eigene Geschichte, eine Wohnung, einen Job oder sind arbeitslos, sind verheiratet oder eben nicht. Manche Figuren haben Eltern, Kinder und gehören bestimmten Fraktionen an, nach denen sich ihre Gedanken und Bedürfnisse richten. Auf den bespielten Inseln bewegen sie sich quasi in Echtzeit und müssen dabei Wege zurücklegen. Mit dieser individuellen Ebene hat Tropico den meisten Konkurrenten im Genre der Wirtschaftssimulationen etwas voraus.
Tropico 6 umfasst ein ausführliches Tutorial und einen Sandbox-Modus, in dem das Spiel z.B. mit unendlich viel Geld ausprobiert werden kann. Es gibt außerdem eine Kampagne und einen Onlinemodus. Das Setting umfasst die Zeitalter „Kolonialzeit“, „Weltkriege“, „Kalter Krieg“ und „Moderne Zeit“. Je nach Zeitalter schalten sich verschiedene Forschungs- und Baumöglichkeiten sowie neue Verordnungen frei. Das Spiel beginnt im Kolonialzeitalter, man ist Untergebener der Krone und muss zunächst auf die Revolution und damit die Unabhängigkeit hinarbeiten, ohne dabei jedoch die Gunst der Krone zu verspielen. solche Dilemma-Situationen sind typisch für das Spiel.
Die Gestaltung von Tropico 6 bietet humorvolle Figuren, die allesamt gängigen Klischees entsprechen. Der Berater des Spielers bzw. der Spielerin ist wie in der gesamten Tropico-Reihe die sympathische Witzfigur „Penultimo“. Die Ladebildschirme sind als illustrierte Postkarten von Tropico gestaltet. Die Musik orientiert sich wie bei den Vorgängern am kubanischen Klischee des „Buena Vista Social Club“.
Im Vergleich zum Vorgänger “Tropico 5” hat es einige Veränderungen gegeben. Es gibt Piraten statt wie im vorigen Teil nur Schmuggler. Statt nur einer können mehrere Inseln bespielt werden, die durch Brücken verbunden werden. Zudem gibt es einige zusätzliche Varianten im Transport-Sektor: Tunnel, Schnellstraßen und Busse. Weil es auch Seilbahnen gibt, können erstmalig auch Hochplateaus bebaut werden. Der Palast kann individuell gestaltet werden. Der „Broker“ eröffnet zusätzliche Handlungsoptionen. Zudem gibt es Cyber-Operationen, die in Tropico 5 durch die Spionage nur angedeutet waren. Schmerzlich vermisst man als Spieler/in eine Minimap.
Pädagogische Beurteilung:
SchwierigkeitsgradTropico hat sich vom Erscheinen des erstens Teils Anfang der 2000er bis heute kontinuierlich verkompliziert. Teil sechs ist insbesondere deshalb anspruchsvoller geworden, weil Gebäude neuerdings, ähnlich wie bei Anno, die Bedürfnisse der Bevölkerung nur innerhalb eines bestimmten Umkreises abdecken.
Es gibt viel zu lesen; bei Tropico sind immer nur die ersten Sätze der Meldungen vertont. Allerdings sind die meisten Texte eher Angebote zur Vertiefung und könnten auch ohne allzu große Verluste am Verständnis weggeklickt werden. Dabei verpasst man allerdings häufig einige charmante Witze und Wendungen.
Das Tutorial von Tropico 6 ist ausführlich für Neulinge sehr hilfreich. Durch das Tutorial wird die Komplexität des Spiels ein Stück weit aufgefangen.
Lernangebote
Tropico 6 bietet ein Grundverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge. Auch Ansätze von Außen- und Innenpolitik lassen sich mit Hilfe des Spiels nachvollziehen. Das Spiel spricht vor allem diejenigen an, die etwas erschaffen und verwalten wollen sowie diejenigen, die Belohnungen einsammeln wollen: Geld, Ressourcen und Beliebtheit. Die Spielgeschwindigkeit ist individuell einstellbar, sodass kaum Hektik oder Langeweile entsteht.
Exotismus
Mit dem Begriff Exotismus wird eine bestimmte Form der Auseinandersetzung mit fremden Kulturen bezeichnet. Vor dem Hintergrund der eigenen Kultur werden die eigene Wirklichkeit, Wünsche und Versagungen thematisiert[1]. Häufig werden Wünsche auf das Fremde projiziert und folglich die andere Welt positiv dargestellt. Diese Analyse trifft auf Tropico 6 vollständig zu.
Die „Bananenrepublik“ Tropico ist eine Hommage an die Inselstaaten der Karibik und vor allem das Kuba des „Buena Vista Social Club“. Die Reihe macht sich zudem das Thema des Kalten Krieges zu Eigen; die Weltmächte konkurrieren um die Gunst von „El Presidente“. Korruption und Wahlmanipulation sind gängige Mittel des Inselherrschers. Die vielen Klischees, die Tropico nutzt, treffen aber nicht nur die „Fremde“, sondern alle Akteure: Auch die EU mit ihrer Bürokratie wird auf’s Korn genommen.
Der satirische Charakter des Spiels erfordert eine gewisse Allgemeinbildung, die etwa ab zwölf Jahren in Ansätzen vorhanden sein sollte. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann das Spiel eine Motivation zur Beschäftigung mit Politik, Wirtschaft und Geschichte sein.
Regieren
Das Regieren bei Tropico 6 kann unterschiedlich ausgespielt werden. Verschiedene Optionen der Verfassung, der Baupolitik und der Verordnungen enthalten typische politische Lösungen der einzelnen Fraktionen, das heißt Liberale, Konservative, Kommunisten, usw.
Dazu kommen typische Handlungen der autoritären Herrschaft: Personen können bestochen, festgenommen und ermordet werden. Die Darstellung aus der Vogelperspektive ist unbedenklich, dennoch erscheint die Szenerie realistisch und kann psychisch anstrengend sein.
Tropico’s Verständnis von Innenpolitik beruht auf dem Prinzip der Kontroversen: Realsozialismus oder liberale Demokratie und Kapitalismus, Einwanderung oder Grenzschutz, knallharte Ausbeutung oder Wohlfühl-Sozialstaat. Damit greift Tropico viele Dauerbrenner politischer Debatten auf und ermöglicht eine Auseinandersetzung. Selbstverständlich kann ein Videospiel niemals vollständig neutral sein. Eine gewisse Voreingenommenheit wird bei digitalen Spielen immer mit einprogrammiert, weil die Entwicklungsteams ihre Vorstellung von politischen Mechanismen mit einbringen.
Gender
„El Presidente“ ist dem Name nach ein Mann. Auch im Intro wird er als Mann präsentiert. Allerdings kann der Avatar auch als Frau gestaltet werden. Leider ändert sich dadurch die Ansprache im Spiel nicht, diese bleibt immer „El Presidente“. Diese Nachlässigkeit passt nicht so recht zum ansonsten detailverliebten Spiel. Davon abgesehen zeigt Tropico aber in umfangreichen Maße männliche und weibliche Personen und lässt diese auch in untypischen Rollenmustern agieren.
Fazit:
Der satirische Charakter des Spiels erfordert eine gewisse Allgemeinbildung, die etwa ab zwölf Jahren in Ansätzen vorhanden sein kann. Dann können die gezeigten Klischees und die mögliche Rolle als autoritäre/r Herrscher/in mit Distanz verarbeitet werden. Das Spiel kann zur Beschäftigung mit Politik, Wirtschaft und Geschichte anregen.Anmerkungen
Siehe auch
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