Spielbeurteilung

Realpolitiks II

08.11.2023
Im Globalstrategiespiel „Realpolitiks II“ übernehmen wir die Rolle eines Staates und führen diesen im Wettstreit mit anderen Ländern der Erde zum Sieg. Dabei können wir selbst entscheiden, ob dies politisch, wirtschaftlich, technologisch, kulturell oder militärisch geschieht.
  • Genre:
    Globalstrategie
  • Herausgeber:
    Fulqrum Publishing / Jujubee (Entwickler)
  • Plattform:
  • Erscheinungsdatum:
    Mai 2021
  • USK:
    nicht geprüft
  • spielbar:
Realpolitiks II bietet typische Spielmechaniken von Globalstrategiespielen und ermöglicht den Spielenden damit eine enorme Bandbreite an Entscheidungen, während sie die Geschicke des eigenen Landes lenken. Im Gegensatz zu anderen Globalstrategiespielen ist die Welt hier bereits bekannt und die auswählbaren 216 Länder entsprechen denen, die zur Veröffentlichung des Spiels existierten, darunter auch Länder, die international nicht von allen Staaten anerkannt sind, wie dem Kosovo und Taiwan. Die stilisierte Weltkarte von Realpolitiks II bildet einen Globus nach und ermöglicht es, sich wie mit Google Maps oder einer klassischen Weltkarte leicht zu orientieren.

Ein Ausschnitt aus der Spielwelt mit Deutschland, seinen Provinzen, Bauplätzen und dem Interface.

Die Nation, deren Geschicke man über einen Zeitraum von 100 Jahren steuert, besitzt neben dem auswählbaren allgemeinen Schwierigkeitsgrad von banal bis sehr schwierig einen sogenannten Länderschwierigkeitsgrad. Dieser gibt an, wie schwierig es ist, mit dem Land zu gewinnen. Die Einordnung orientiert sich hierbei stark an dem realen Entwicklungsstand der Länder, so dass ein westliches Industrieland deutlich leichter zu spielen ist als ein kleiner Inselstaat. Eine Identifikationsfigur oder eine erzählerische Begleitung des jeweiligen Landes gibt es nicht.

Neben dem Land muss auch eines von drei Szenarien gewählt werden. Zur Auswahl stehen „Eine neuer Morgen“, „Folgen der Pandemie“ und „Es ändert sich niemals“. Für die Beurteilung wurde Deutschland ausgewählt, das die Folgen der Pandemie bewältigen muss. Hier finden Spielende zu Beginn unter anderem eine wirtschaftliche Rezession, eine relativ hohe Arbeitslosigkeit und eine mäßig unzufriedene Bevölkerung vor, was vor dem Hintergrund der globalen Covid-Pandemie durchaus plausibel ist.

Auch eines der Hauptziele orientiert sich am gewählten Szenario – es muss ausreichend Geld bereitgestellt werden, um Impfstoff für die Bevölkerung zu erwerben und diese zu immunisieren. Allerdings ist der Impfstoff so teuer, dass es – so die fiktive Annahme des Spiels – viele Jahrzehnte dauert, die dafür notwendige Summe zu erwirtschaften. Die Folgen der Pandemie haben jedoch keine weiteren Auswirkungen auf den Spielverlauf. Neben diesem Hauptziel gibt es noch einige weitere optionale Ziele, darunter die Bildung eines Staatenblocks, der in etwa der Europäischen Union ähnelt.

Blockmitglieder unterstützen sich auch im Kriegsfall. Es können auch zwei Blöcke im Krieg sein.

Der Ablauf der Partie gestaltet sich, abgesehen von den Spielzielen, zunächst typisch für das Genre der Globalstrategiespiele. Jedes Land besitzt je nach Größe eine oder mehrere Provinzen, die jeweils einen Bauplatz besitzen und über die das Land entwickelt werden kann. Durch den Mangel an Baugrund muss also klug entschieden werden, was gebaut wird. Während viele Industrie- und Wirtschaftsbetriebe das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigern und die Arbeitslosigkeit senken, erzeugen sie ebenfalls Umweltverschmutzung, die zu Unzufriedenheit bei der Bevölkerung führt. Diese kann wiederum mit vielen Gebäuden aus den Kategorien Sicherheit und Gesellschaft reduziert werden, die aber keine Rohstoffe produzieren, die für den weiteren Ausbau und den Unterhalt des Landes erforderlich sind.

Eine Übersicht über die aktuellen Gegebenheiten bieten die zahlreichen Menüs und Darstellungen, die es mit einiger Einarbeitung möglich machen, zu verstehen, wie es um das eigene Land steht und was es zu tun gilt. Dabei gilt es oft, zwischen positiven und negativen Konsequenzen abzuwägen und eine Vielzahl an Faktoren aus unterschiedlichen Bereichen in die Entscheidungen einbeziehen. Neben den genannten Faktoren sind unter anderem auch die in einer Provinz vorherrschende Kultur, die Sicherheitslage oder das Bevölkerungswachstum von Bedeutung.

Dies wird auch bei den Multiple-Choice-Fragen deutlich, die regelmäßig gestellt werden. Bei ihnen ist zu entscheiden, wie mit aktuellen Entwicklungen umgegangen werden soll, darunter das Erstarken von links- und rechtsextremen Parteien, Korruption oder das Fehlverhalten von Politikern und hohen Würdenträgern. Bei jeder Antwortmöglichkeit wird genau beschrieben, welche Vor- und Nachteile diese hat, so dass es keine falschen Antworten gibt, sondern eine Festlegung von spielerischen Schwerpunkten erfolgt. Leider bleibt die Auswahl an entsprechenden Entscheidungen gering, weil sich Fragen oft wiederholen.

Aktuelle Ereignisse erfordern eine Entscheidung in Form von Multiple-Choice-Fragen.

Eine wichtige Rolle spielen außerdem die sogenannten Projekte. In 23 Kategorien finden sich zahlreiche Vorhaben, die darüber entscheiden, wie sich das eigene Land entwickeln soll. Thematisch zusammenhängende Projekte bilden gemeinsame Zweige des Projektbaumes, so dass gut erkennbar ist, wie diese aufeinander aufbauen und thematische Schwerpunkte bilden.

Die zahlreichen staatlichen Vorhaben sind strukturiert in einen komplexen Projektbaum.

Durch die Kategorien wird es möglich, das eigene Land in die gewünschte Richtung zu entwickeln. Friedliche Koexistenz mit anderen Nationen als eine wirtschaftsliberale Supermacht ist ebenso möglich wie eine auf den umfassenden Umweltschutz ausgerichtete erzkonservative Theokratie.

Für die Beziehungen zu anderen Ländern können diplomatische Beziehungen von großem Nutzen sein, für die im Verlauf einer Partie immer mehr Verhandlungsoptionen und Vertragsarten freigeschaltet werden können. Misstrauen Spielerinnen und Spieler ihren Nachbarn, so können sie diese ausspionieren und sabotieren oder – falls die Beziehungen einen Tiefpunkt erreichen – ausbrechende Konflikte auch militärisch entscheiden.
Lutz Schröder
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Pädagogische Beurteilung:

Das Wort Realpolitik bedeutet vereinfacht, politische Entscheidungen auf Basis aktueller Erfordernisse anstatt von Werten und Ideologien zu treffen. Realpolitiks II folgt, wie der Name erwarten lässt, dieser Maxime. In Bezug auf die pädagogische Eignung des Spiels sind einige Inhalte dabei problematisch und plakativ.

Besonders deutlich wird dies bei den Spielmechaniken rund um das politische System des eigenen Landes. Zwar wird gezeigt, welche Projekte zu autoritären Strukturen führen können, allerdings bieten autoritäre und totalitäre Staatsformen deutlich mehr spielerische Freiheiten, weil Entscheidungen dann nicht von der Zustimmung des Parlamentes abhängig sind. Weil die Auswirkungen auf die Bevölkerung kaum gezeigt werden, kann so der Eindruck entstehen, dass ein Mehrparteiensystem vor allem negative Folgen hat.

Selbst in einer Demokratie haben Spielende jedoch eine Machtfülle, die mehr mit einem absolutistischen Herrscher als mit einem Bundeskanzler gemein hat. Widerstand gegen Entscheidungen kann oft mit Bestechung der opponierenden Parteien überwunden werden. Dadurch stimmen diese dann unter anderem auch nationalistischen Projekten oder Kriegserklärungen für Eroberungsfeldzüge zu.

Grundsätzlich macht das Spiel keine Vorgaben dazu, wie sich die Spielenden verhalten sollen, so dass es möglich ist, realen Entwicklungen zu folgen und Deutschland zum Teil einer internationalen Gemeinschaft zu machen. Ähnlich wie die Europäische Union dient auch im Spiel ein Block der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Unterstützung seiner Mitglieder. Jedoch werden die Wege zur Gründung und Entwicklung eines Blocks und weiterer Inhalte nicht näher erklärt, so dass hier einiges an Einarbeitung in die Spielmechaniken notwendig ist.

Pädagogisch interessant könnte die Darstellung der Projekte sein. Diese werden mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen knapp beschrieben. Durch die Position im Projektbaum wird zudem erläutert, wie vielfältig zum Beispiel der Umweltschutz verbessert werden kann, etwa durch Verordnungen bei Industrie und Landwirtschaft oder durch Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und von erneuerbaren Energien.

Die Spieldauer und die zeitaufwendige Einarbeitung machen eine Verwendung von Realpolitiks II im Unterricht unrealistisch. Eine Partie kann rund 30 bis 40 Stunden dauern und kürzere Abschnitte in Form von Missionen finden sich nicht. Durchschauen Spielerinnen und Spieler die komplexen Spielmechaniken und das verschachtelte Interface, so sind Flowerlebnisse, also das versunkene Eintauchen ins Spiel, möglich. Das vorhandene Tutorial hilft hierbei allerdings kaum, da es nur wenige Elemente erklärt und diese zudem teils noch vereinfacht, so dass sie nicht dazu beitragen, das eigentliche Spiel zu verstehen.

Eine Immersion hat sich dagegen nur selten eingestellt. Dies liegt neben zahlreichen Ungereimtheiten in den Spielmechaniken insbesondere an einer Reihe von Bugs. So führt etwa das Laden eines Spielstandes oft zum Start eines neuen Spiels, so dass man von vorne beginnen müsste, wenn man keine weiteren Spielstände hat. Auch viele weitere kleinere Bugs stören die Immersion und schränken die Nutzbarkeit von Realpolitiks II im Unterricht weiter ein.

Fazit:

Realpolitiks II bietet viele Inhalte, die von einem Globalstrategiespiel zu erwarten sind, setzt diese jedoch oft nur halbherzig und teils widersprüchlich um. Dadurch sind die Inhalte weit von „realer“ Politik entfernt. Positiv ist dagegen die vergleichsweise differenzierte Darstellung der Folgen von Projekten, die auf Schönfärbungen ebenso verzichtet wie auf einseitig negative Aussagen.
Lutz Schröder
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Bildnachweise

[1]Realpolitiks II / Fulqrum Publishing / Screenshot by spielbar.de[2]Realpolitiks II / Fulqrum Publishing / Screenshot by spielbar.de[3]Realpolitiks II / Fulqrum Publishing / Screenshot by spielbar.de[4]Realpolitiks II / Fulqrum Publishing / Screenshot by spielbar.de[5]Realpolitiks II / Fulqrum Publishing / Screenshot by spielbar.de[6]Democracy 4 / Positech Games / Screenshot by spielbar.de[7]Defcon (Steam)