Spielbeurteilung
Beholder 2
16.03.2022
Eine mitreißende Geschichte mit spannenden Gewissensentscheidungen: In Beholder 2 lüften wir als Ministerialbeamter das Rätsel um den mysteriösen Tod unseres Vaters. Dabei werden wir ein Zahnrädchen der Diktatur.- Genre:Point & Click Adventure
- Herausgeber:Warm Lamp Games
- Plattform:
- Erscheinungsdatum:Dezember 2018
- USK:
- spielbar:
Die Geschichte
Während wir im ersten Teil von Beholder noch einen Blockwart spielten, dessen Aufgabe es war, die Mieter und Mieterinnen eines Wohnhauses zu denunzieren, schlüpfen wir in Beholder 2 in die Rolle von Evan Redgrave. Evan ist der Sohn von Herrn Redgrave, einem politischen Funktionär und ranghohen Mitarbeiter des Ministeriums. Dieser zählt zu den engsten Vertrauten des Diktators, bis er eines Tages auf mysteriöse Weise verstirbt.
Um die Todesumstände unseres Vaters zu lüften, treten wir den Dienst im Ministerium an.
Evan versucht nun, als Ministerialbeamter aufzusteigen, um schließlich die Ursache für den mysteriösen Tod seines Vaters zu lüften. Sein erster Arbeitstag stellt sogleich das Tutorial des Spiels dar. Hierfür begeben wir uns in die vertrauensvollen Hände von George Hemnitz, eines überaus gewissenhaften Ministerialbeamten und ehemaligen Kollegen unseres Vaters. Nach einer kurzen inhaltlichen Einführung geleitet uns Herr Hemnitz an die Unfallstelle. Danach begleiten wir ihn in die Räumlichkeiten des Ministeriums. Nach einigen Minuten endet unsere Führung vor einer eingerichteten Nische, unserem zukünftigen Arbeitsplatz. Schnell noch eine Unterweisung und wir begeben uns an unseren Schreibtisch und die Bearbeitung der Anträge beginnt…
Für die vorschriftsgemäße Bearbeitung von Anträgen erhalten wir Geld. Dieses ist notwendig, um die im weiteren Spielverlauf eingehenden Rechnungen begleichen zu können. Kommen wir diesen Ausgaben nicht nach, so landen wir im Gefängnis.
Der routinierte Arbeitsalltag einer Behörde: Neben Formularen und Zuständigkeitsgerangel bleibt noch Zeit, Intrigen zu schmieden.
Um das Geheimnis um den mysteriösen Tod unseres Vaters zu lüften, bleibt uns daher nichts anderes übrig, als uns im weiteren Verlauf um Evans Karriere als Ministerialbeamter zu bemühen. Auf diesem steinigen und mühseligen Weg müssen sowohl Konkurrenten als auch Vorgesetzte Schritt für Schritt aus dem Weg geräumt werden. Neben dem Bearbeiten von Anträgen gilt es also vor allem Intrigen zu spinnen und Kollegen zu bespitzeln. Gleichzeitig können aber auch Freundschaften geschlossen werden, in diesem Fall empfiehlt es sich vor allem Kompromisse zu schließen oder Gefälligkeiten zu erfüllen. So ist es beispielsweise möglich einem Kollegen bei seiner Flucht ins Ausland zu verhelfen oder aber die Beförderung einer Kollegin in eine nächsthöhere Abteilung des Ministeriums zu ermöglichen. Diese Strategie erscheint deutlich aufwendiger, als die weiteren Mitarbeitenden einfach nur zu denunzieren, sie in die Drogenabhängigkeit oder gar in den Selbstmord zu treiben.
Wer unklug agiert, wird exekutiert!
Doch gilt es hierbei ein besonderes taktisches und diplomatisches Feingefühl zu entwickeln, um die Kollegen und Vorgesetzten des Ministeriums nicht schon zu früh gegen uns aufzubringen. Mobbing und Schikane sind nicht nur unsere Waffen, auch unseren Kollegen können dieses Verhalten gegen uns an den Tag legen! Möchten wir also herausfinden was mit unserem Vater geschah, werden wir planvoll und mit strategischer Umsicht voranschreiten müssen.
Freund oder Feind? Um in Beholder 2 voranzukommen, gilt es ein besonderes diplomatisches Fingerspitzengefühl zu entwickeln.
Pädagogische Beurteilung:
Spielerisch anspruchslos, inhaltlich herausfordernd
Eine wesentliche Herausforderung von Beholder 2 besteht darin, die Wünsche, Bedürfnisse, Ängste und Nöte der Beholder-Bewohner zu berücksichtigen. Die Nebencharaktere sind sehr lebhaft und überzeugend entworfen, jede Figur hat eine eigene Persönlichkeit. Die individuelle Note macht es dabei schwer, die weiteren Ministerialmitarbeiter für das Erreichen der eigenen Ziele einzuspannen, sie auszunutzen oder gar rücksichtslos aus dem Weg zu räumen. Stattdessen entsteht vielmehr das Bedürfnis, ihnen beizustehen und helfen zu wollen und so die Alltagslast dieser düsteren und tristen Welt zu erleichtern.
Trotz einfacher Spielmechanik sowie geringem Schwierigkeitsgrad verlangt das Spiel den Spielenden emotional einiges ab. Dies schlägt sich zum einen in der tragischen und düsteren Spielgeschichte und -welt nieder, zum anderen werden den Spielenden jedoch auch die Konsequenzen seines eigenen Handelns vor Augen geführt. In Beholder 2 trifft man seine Entscheidungen nicht leichtfertig. Hierbei gilt es zu lernen, bewusst zu handeln und zu entscheiden und dabei stets die volle Verantwortung zu tragen. Ein pädagogisch wertvoller Ansatz mit Potenzial.
Chancen für den Einsatz im Unterricht
Beholder 2 eignet sich gut dazu, die gesellschaftlichen Hintergründe und Zusammenhänge eines politischen Systems aufzuzeigen und zu verstehen, und bietet die Chance, spielerisch über Lerninhalte ins Gespräch zu kommen. Das Spiel vermittelt Wissen zu autoritären Regimen und schafft somit einen spielerischen Zugang zum Themenfeld politischer Systeme. Gleichzeitig geht es darum, eigenständige Entscheidungen zu treffen und für diese auch die Verantwortung zu tragen. Oft steht man vor der Wahl, Bündnisse mit weiteren Mitarbeitern des Ministeriums zu schließen oder zu versuchen, sie zu beseitigen. Somit eignet sich Beholder 2 tendenziell gut für den spielerischen Einsatz im Unterricht und stellt einen kreativen Weg dar, sich mit Machtstrukturen auseinanderzusetzen. Da das Spiel keinen nennenswerten Schwierigkeitsgrad vorweist oder kein Zeitdruck besteht, eignet sich Beholder 2 ebenfalls für Unerfahrenere.
Fazit:
Beholder 2 ist ein düsteres Point & Click-Adventure mit dystopischer Spielwelt und tragischer Spielgeschichte. Dem Spiel gelingt es, eine mitreißende und bewegende Geschichte mit kritischen Einblicken in autoritäre Systeme zu verbinden. Somit eignet sich Beholder 2 nicht nur als Denkanstoß für zu Hause, sondern bietet gleichzeitig die Chance, auf kreative Weise über Lerninhalte ins Gespräch zu kommen.Siehe auch
Spielbeurteilung
Papers, Please
Als Grenzbeamte einer kommunistischen Republik Papiere kontrollieren und Pässe abstempeln: „Papers, Please“ bringt die Spielenden ziemlich schnell ins Schwitzen und in den Pausen zum Nachdenken.
Spielbeurteilung
The Inner World 2 – Der letzte Windmönch
Im diesem Adventure muss eine unterdrückerische Terrorherrschaft gestürzt werden, die in Symbolik und Sprachgebrauch an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert.
Christian Huberts (2014):
Freiheitsillusionen: Kontrolle und Überwachung in Computerspielen
Im Alltag sind wir realen Zwängen unterworfen, in Computerspielen hingegen können wir tun und lassen was wir wollen. Doch dieser erste Eindruck trügt, denn alle Spiele haben Regeln, und manche Games überwachen gar jeden unserer Schritte. Ein Fachartikel von Christian Huberts.
Bildnachweise
[1]Beholder 2 / Warm Lamp Games / steampowered.com[2]Beholder 2 / Warm Lamp Games / Screenshot by spielbar.de[3]Beholder 2 / Warm Lamp Games / Screenshot by spielbar.de[4]Beholder 2 / Warm Lamp Games / Screenshot by spielbar.de[5]Papers, Please[6]The Inner World 2 – Der letzte Windmönch / Studio Fizbin / Screenshot by spielbar.de[7]République (Camouflaj LLC)