Spielbeurteilung

The Curious Expedition

03.11.2016
Unerforschte Völker, versteckte Heiligtümer und raue Natur – in The Curious Expedition reisen die Spielenden zurück ins 19. Jahrhundert und übernehmen die Leitung einer Forschungsexpedition. Dabei sind vor allem logisches Denken, Geduld und der Wille, sich in das komplexe Spiel einzuarbeiten, gefragt.
Wer ist der berühmteste Forscher oder die berühmteste Forscherin des 19. Jahrhunderts? Darüber diskutieren die Mitglieder eines fiktiven Entdeckerclubs, zu dem so berühmte Figuren wie Charles Darwin, Marie Curie oder Mary Kingsley gehören. Sie sehen nur eine Möglichkeit, um die Frage ein für alle Mal zu beantworten: Ein Wettstreit. Wer nach sechs Forschungsreisen den größten Ruhm einheimst, gewinnt.

Bevor die Fahrt losgeht, bittet ein junger Mann darum, einen Brief mitzunehmen. Gelingt es den Brief auszuliefern, erhält man zusätzliche Ruhmpunkte. Falls nicht, verliert man welche…


Bei The Curious Expedition handelt es sich um eine Mischung aus Strategiespiel und Simulation. Die Spielenden wählen zu Beginn einen Forscher oder eine Forscherin aus, in dessen beziehungsweise deren Rolle sie für die folgenden sechs Expeditionen schlüpfen. Die Auswahl reicht von tatsächlichen „Abenteurern“ wie Richard Francis Burton zu anderen historischen Figuren der Wissenschaft wie Erfinder Nikola Tesla oder Schriftstellerin Alexandra David-Néel. Vier weitere Forscher/-innen, die mit der eigenen Figur konkurrieren, werden vom Computer gesteuert. Jede der sechs Expeditionen kann als abgeschlossene Spielrunde angesehen werden. Auf einer Weltkarte wählt man das jeweilige Reiseziel frei aus. Danach gilt es aus der Vogelperspektive das noch unbekannte Land zu erforschen und Dörfer, Ruinen sowie Schätze zu finden. Die Forschungsreise wurde erfolgreich beendet, wenn man die Hauptattraktion einer jeden Karte, meist eine goldene Pyramide, entdeckt. Die anderen Wettstreitteilnehmenden befinden sich an anderen Orten der Erde – Begegnungen zwischen den einzelnen Forscher/-innen auf ihrer Reise gibt es daher nicht.

Die Spielwelt ist in sechseckige Felder aufgeteilt. Noch ist nur ein Teil der Karte aufgedeckt, erkennbar an den braunen Aussparungen.


Trotzdem machen sich die Spielenden nicht alleine auf den Weg. Neben bereits vom Spiel vorgegebenen Begleitpersonen kann man nach und nach weitere Figuren für das Team rekrutieren. Wie weit das Forschungsteam voranschreiten kann, bestimmt die „Sanity“-Anzeige (dt.: geistige Gesundheit). Jeder einzelne Schritt kostet eine bestimmte Anzahl Sanity, die von der Art des Geländes abhängt. Eine offene Graslandschaft ist leichter zu überwinden, als tiefster Dschungel. Die Sanity-Leiste kann entweder mit Lebensmitteln oder durch Ruhephasen wieder hergestellt werden.

Entdeckt man auf seiner Reise ein Dorf, kann man hier eine Pause einlegen und die Sanity-Punkte (s. obere Leiste) aufladen – vorausgesetzt man vergrault die Dorfbewohner nicht.


Nach einer erfolgreich beendeten Expedition, können die Spielenden die geborgenen Schätze entweder für mehr Ruhmpunkte an das Museum stiften – oder aber gegen Geld verkaufen und so das Inventar für das nächste Abenteuer aufstocken. Auch für die Entdeckung indigener Völker (Ureinwohner) oder unbekannter Tierarten erhalten die Spielenden Ruhmpunkte. In einer Übersicht werden die gesammelten Punkte der Konkurrenten/-innen angezeigt und eine Rangfolge ausgemacht. Dann startet die nächste der sechs Expedition, bis zum Schluss der/die Gewinner/in feststeht.
Sarah Pützer
Dieses Spiel wurde getestet von:

Pädagogische Beurteilung:

Das Indie-Spiel The Curious Expedition vom Berliner Entwicklerstudio Maschinen-Mensch ist vieles zugleich: Spannende Simulation auf der einen, ausgeklügeltes Strategiespiel auf der anderen Seite; spielerische Hommage an das 19. Jahrhunderts und eine Huldigung actionreicher Abenteuerfilme á la Indianer Jones.

Entsprechend komplex ist das Gameplay gestaltet. Wer einfach ohne Strategie in das Abenteuer startet, verrennt sich schnell auf einem noch unentdeckten Stück Karte – ohne Zelt, ohne Wasserstelle, das Schiff weit weg. Sinkt dann auch noch die Sanity-Anzeige auf null, ist Chaos vorprogrammiert. Das Forscherteam verfällt dem Wahnsinn, unheilvolle Ereignisse nehmen ihren Lauf. Plötzlich werden die einen zu Kannibalen, die anderen reden mit unsichtbaren Freunden. Einmal verstorbene Teammitglieder kommen außerdem nicht wieder zurück – passt man daher nicht auf, steht man plötzlich alleine da. Erzählt werden diese Episoden in Form von Tagebucheinträgen, die überaus witzig und charmant geschrieben sind und für eine ganze eigene Note Absurdität sorgen.

Wer in The Curious Expedition als Sieger aus dem Wettstreit hervorgehen möchte, sollte viel Geduld mitbringen, um sich in das Spiel einzuarbeiten. Ein Tutorial gibt es nicht, daher gilt es aus den gemachten Fehlern zu lernen – und es beim nächsten Mal mit einer besseren Strategie zu probieren. Hier bietet The Curious Expedition viele Freiheiten. Ob man rücksichtslos wichtige Heiligtümer plündert oder Ruhm lieber durch das Erforschen der Ureinwohner verdienen möchte, bleibt den Spielenden selbst überlassen. Allerdings müssen sie die entsprechenden Konsequenzen tragen: Raubt man einen wichtigen Schatz aus einem Tempel, kann es schonmal passieren , dass plötzlich ein Viertel der Karte in Fluten untergeht und die Einheimischen nicht mehr ganz so gastfreundlich sind.

Auch das Verwalten des Inventars erfordert logisches Denken. Die Menge der Items, die man bei sich tragen kann, ist beschränkt. Oft steht man vor der Wahl: Nehme ich diesen Schatz noch mit – und werfe dafür Lebensmittel weg? Oder gehe ich auf Nummer sicher und verzichte auf die Ruhmpunkte. Auch die Verwaltung des Teams verlangt einige Entscheidungen ab. Alle Figuren besitzen Vor- und Nachteile: Manche sind sprachbegabt, dafür aber alkoholsüchtig; andere sind berühmte Journalisten– fallen aber mit rassistischen Tendenzen negativ auf.

In den skurrilen Szenen, die mit einer niedrigen Sanity-Anzeige einhergehen, werden auch gewaltvollere Handlungen angesprochen – beispielsweise wenn ein Teammitglied ein anderes umbringt. Diese sind allerdings nie visuell untermalt. Auch das fantastische Setting und die Pixeloptik bieten zusätzliche Distanzierungsmöglichkeiten.

Fazit:

Hinter der vermeintlich einfachen Spielidee von The Curious Expedition versteckt sich ein umfangreiches, komplexes Indie-Spiel, das Elemente einer Simulation und eines Strategiespiels geschickt miteinander verbindet. Das Spiel erfordert viel Einarbeitungszeit, weiß aber auch langfristig zu unterhalten. Aufgrund der vielschichtigen Gameplay-Möglichkeiten, die man sich selbst erschließen muss, des komplexen Themas und der Textlastigkeit eignet sich The Curious Expedition erst für Jugendliche ab 14 Jahren.
Sarah Pützer
Dieses Spiel wurde beurteilt von:

Siehe auch

Nico Nolden (2016):

Geschichtserfahrungen und Erinnerungskultur bei digitalen Spielen

Wie inszenieren digitale Spiele Geschichte? Historiker Nico Nolden legt dar, wie sich geschichtliche Vorstellungen auch in fiktiven Spielen wiederspiegeln und deckt auf, was abseits historischer Fakten in digitalen Spielen verborgen liegt.

Spielbeurteilung

Science Kombat

Was machen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eigentlich, wenn sie sich nicht gerade mit mathematischen Formeln oder physikalischen Phänomenen beschäftigen? Ginge es nach dem Beat ’em Up Science Kombat, hieße die Antwort: Kämpfen! Einstein und Co. treten hier zum Faustkampf an.

Spielbeurteilung

Crypt of the NecroDancer

Zu Elektrobeats tanzend Monster bekämpfen – das Indie-Spiel Crypt of the NecroDancer verbindet das Prinzip eines Dungeon Crawlers mit Musikspielelementen. Dabei ist vor allem Geduld, Geschick und jede Menge Rhythmusgefühl gefragt. Denn die Spielfiguren bewegen sich nur im Takt vorwärts.

Bildnachweise

[1]Offizielles Pressematerial von The Curious Expedition, Maschinen-Mensch[2]Offizielles Pressematerial von The Curious Expedition, Maschinen-Mensch[3]Offizielles Pressematerial von The Curious Expedition, Maschinen-Mensch