Spielbeurteilung

1979 Revolution: Black Friday

09.05.2022
Als Journalist erleben wir die iranische Revolution mit, die schließlich zum Sturz des verhassten Schahs führt. Ist der Wille nach einem demokratischen und freiheitlichen Iran damit schon erfüllt?
So atmosphärisch und anschaulich wie in „1979 Revolution: Black Friday“ hat das Thema der iranischen Revolution gegen das vom Schah geführte Regime wohl noch nie den Einzug auf die heimischen Spielebildschirme gefunden.

In der Rolle des Reza Shirazi, eines jungen iranischen Fotojournalisten, kehren die Spielenden nach einem Auslandsjahr in Deutschland nach Teheran zurück und finden die Stadt in Chaos vor. Schnell und eher unfreiwillig gerät Shirazi mitten in die Revolution hinein, welche sich im Verlaufe des Spiels immer mehr zuspitzt.

Reza (Bildmitte) erfährt schnell, dass auch unter den Revolutionären Uneinigkeit herrscht. Während sein Cousin Ali (links) die Revolution mit Kampf gewinnen möchte, bevorzugt sein Freund Babak (rechts) den Weg der friedlichen Revolution.


Die Spielenden erleben dabei direkt zu Beginn des Spiels, dass die Dinge anders verlaufen sind, als gedacht. Die ersten beiden Kapitel spielen nämlich im Jahr 1980, also nach der Revolution gegen den Schah und der Machtübernahme des neuen Staatsführers Ruholla Chomeini. Auch dieser schreckt nicht vor Gewalt zurück, um seine Idee einer islamischen Republik durchzusetzen. Trotz der revolutionären Erfolge bleibt der Iran also von einem demokratischen Rechtsstaat weit entfernt. Reza Shirazi wird verhaftet und im Gefängnis befragt, warum er sich gegen die neue Staatsführung gewendet habe. Vom friedlichen Revolutionär, welcher mit seinen Fotos und Artikeln die Bevölkerung aufklären möchte, ist Shirazi zur Zielscheibe der neuen Staatsführung geworden.

Im Wechselspiel mit den Zwischensequenzen aus dem Jahr 1980 durchleben die Spielenden in Form von spielbaren Rückblicken den Verlauf der Revolution und lernen die Rolle von verschiedenen Revolutionären innerhalb der Bewegung kennen. Diese gewinnt nach dem Brandanschlag im „Cinema Rex“-Kino, bei dem 422 Personen zu Tode kommen, enorm an Fahrt. Gibt es zu Beginn der Revolution noch etliche Stimmen, die sich für friedliche Proteste einsetzen, greifen infolge dieses Unglücks immer mehr Revolutionelle auf gewalttätige Mittel zurück. Diese werden von der iranischen Armee, der Polizei und dem Geheimdienst SAVAK in gleichem Maße beantwortet . Die so entstehende Gewaltspirale mündet am 08. September 1978 im sogenannten „Schwarzen Freitag“, bei dem es auf dem Jaleh-Platz in Teheran zu einem Schusswechsel zwischen Demonstranten und Soldaten der Armee kommt, den die Spielenden alias Shirazi live miterleben.

Spielmechanik


Die Spielmechanik von „1979 Revolution: Black Friday“ hält sich dicht am klassischen Telltale-Adventure. Das bedeutet, dass sich die Spielenden im Grunde einen interaktiven Film ansehen, bei dem sie trotzdem häufig die Möglichkeit haben, durch unterschiedliche Antwortmöglichkeiten den Kurs eines Dialogs zu variieren und dadurch den Verlauf der Geschichte als Ganze zu beeinflussen. So haben unterschiedliche Entscheidungen beispielsweise verschiedene Handlungsausgänge und Spielenden zur Folge.

Aufgelockert wird dieses Spielprinzip durch ergänzende Quick-Time-Events, bei denen die Spielenden mit schneller Reaktion und teilweise im richtigen Rhythmus bestimmte Tasten drücken müssen, um so im Spiel Kugeln auszuweichen, Gegenstände zu überspringen usw.

Quick-Time-Events lockern das Spielprinzip auf und binden die Spielenden enger in die Handlung ein. Hier wird durch das schnelle Drücken einer Taste ein Messer aus dem Körper des Revolutionärs Abbas entfernt.


Atmosphäre


„1979 Revolution: Black Friday“ liefert den Spielerinnen und Spielern ein packendes Spielerlebnis und sorgt während des gesamten Spiels für eine teilnahmsvolle und dichte Atmosphäre. Menschen, die hysterisch Parolen rufen, Steine werfen oder Transparente in die Höhe strecken, sorgen dafür, dass wir die Revolution hautnah miterleben. Auch die Darstellung von realen Quellen, die in das Spiel integriert wurden, sorgen für eine weitere Verdichtung der Atmosphäre. So können die Spielenden beispielsweise als ihr Alter Ego Reza Shirazi häufig bestimmte Situationen in der Revolution fotografieren die Aufnahme im Anschluss mit echten Bildquellen von den revolutionären Aufständen in Teheran vergleichen.

Während ihren Erfahrungen mit der Revolution schießen die Spielerinnen und Spieler immer wieder Fotos und bekommen einen direkten Zusammenhang zu den historischen Geschehnissen in Teheran präsentiert.


Im Verlauf des Spiels stoßen die Spielerinnen und Spieler immer wieder auf Informationstexte und Privatvideos, die sie noch tiefer in die iranische Geschichte eintauchen lassen. Die Comicgrafik des Spiels, die sich ebenfalls stark an der Telltale-Vorlage orientiert, lässt die Stimmung nicht abreißen, sondern hilft den Spielenden im Gegenteil dabei, eine angemessene emotionale Distanz zur ansonsten sehr realistischen und bedrückenden Atmosphäre im revolutionären Iran herzustellen.

Spielzeit und Schwierigkeit


Die Spielzeit des Spiels liegt bei ungefähr drei Stunden. Nach einem Durchlauf kann das Spiel allerdings noch einige Male wiederholt werden, da man durch unterschiedliche Entscheidungen auch unterschiedliche Enden des Spiels erreichen kann.

Bis auf einige Quick-Time-Events, die für Shirazi im Falle des Scheitern den virtuellen Tod bedeuten, lässt sich das Spiel ohne größere spielerische Hürden durchspielen. Kleinere Herausforderungen bereiten dabei jedoch vor allem diejenigen Verhör- und Gesprächssituationen, in denen die Spielenden in sehr kurzer Zeit Entscheidungen treffen müssen. So gibt es im Dialog mit anderen in der Regel vier Antwortmöglichkeiten. Bis die Spielerinnen und Spieler diese vollständig gelesen haben, ist die verfügbare Zeit nicht selten abgelaufen und Reza Shirazi spricht einfach gar nicht, sondern schweigt sein Gegenüber an. Dies ändert zwar nichts am Fortschreiten des Spiels, erweckt bei den Spielenden aber das Gefühl, etwas Wichtiges im Spiel verpasst zu haben.

Insgesamt liegt die Schwierigkeit des Spiels größtenteils in dessen Rezeption, worauf in der nun folgenden Pädagogischen Beurteilung noch näher eingegangen werden wird.
Platzhalter
Dieses Spiel wurde getestet von:

Pädagogische Beurteilung:

„1979 Revolution: Black Friday“ verlangt von den Spielenden eine hohe Medienkompetenz sowie einen sicheren Umgang mit Quellen und Quellen und Quellenkritik. Zwar macht das Spiel als gelungenes Serious Game die Geschichte der iranischen Revolution greif- und auch erlernbar, jedoch liegt genau darin auch ein enormes Konfliktpotenzial:

Entwickelt wurde das Spiel von Navid Khonsari, einem iranisch-kanadischen Videospiel- und Filmeentwickler, Autor, Regisseur und Produzent, der in seiner Kindheit selbst zusammen mit seinen Eltern vor dem Regime Chomeinis geflohen ist. Seine eigenen Erfahrungen und Darstellungen sind maßgeblich in das Spiel eingeflossen und obwohl Khonsari seinen Titel als (neutralen) interaktiven Dokumentarfilm versteht, ist „1979 Revolution: Black Friday“ dadurch insgesamt sehr subjektiv eingefärbt und wird im Iran als Propaganda gegen die islamische Republik angesehen.

Vor diesem Hintergrund eignet sich das Spiel „1979 Revolution: Black Friday“ je nach Lehrplan allerdings für die Behandlung im Ethik- und Geschichtsunterricht. Sowohl die Auswirkungen moralischer Entscheidungen als auch die Deutung bzw. Einordnung historischer Ereignisse können thematisiert werden. Denn trotz der möglicherweise subjektiven Darstellung der Ereignisse der Revolution rund um Reza Shirazi bietet das Spiel durch eine Sammlung verschiedener Quellen zahlreiche Informationen über die Vergangenheit. So lesen die Spielenden nicht nur Lexikoneinträge über bestimmte Ereignisse, sondern schauen auch Originalvideos aus dem revolutionären Iran an, hören Chomeinis Originalreden auf Tonband und vergleichen authentische Fotografien mit denjenigen, die sie selbst im Spiel knipsen. Durch dieses wechselseitige Verhältnis von spielerischen Inhalten und historischen Quellen erlangt das Spiel ein hohes pädagogisches Potenzial für die mögliche Auseinandersetzung im Unterricht.

Zahlreiche Quellen und Lexikoneinträge erweitern das inhaltliche Spielgeschehen. Durch den Einsatz dieser verschiedenen Medien erlangt „1979 Revolution: Black Friday“ eine authentische Note und bietet sich so auch für den Einsatz im Unterricht an.

Altersempfehlung


Aufgrund der emotionalen Komponenten des Spiels, verbunden mit der dynamischen Entwicklung der Ereignisse, welche die Spielenden im Verlauf der Geschichte immer mehr fesselt und am Ende in einem blutigen Konflikt endet, ist das Spiel nicht für Kinder geeignet.

Gerade im unterrichtlichen Geschehen bieten sich Möglichkeiten, die Vielzahl von Quellen, auf denen „1979 Revolution: Black Friday“ aufbaut, zu nutzen und diese mit älteren Schülerinnen und Schülern aufzuarbeiten. Entsprechend trauen wir diese inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema „iranische Revolution“ auf Grundlage der im Spiel dargestellten historischen Quellen Schülerinnen und Schülern nach Vollendung des 16. Lebensjahres zu. Hier bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, diese Elemente des Spiels beispielsweise im Unterricht der Oberstufe oder den höheren Klassen der Berufsschule einzubauen.

Fazit:

Während die Revolution im Iran aus dem Jahre 1978/1979 in den Rahmenlehrplänen deutscher Schulen maximal eine untergeordnete Rolle spielt, schafft es „1979 Revolution: Black Friday“ in kompakter und adäquater Form Aufmerksamkeit für dieses vernachlässigte Thema zu schaffen. Mit einem rasant erzählten Adventure im Telltale-Format liefert das Spiel wichtige Informationen zu den Geschehnissen der damaligen Zeit und klärt die Spielenden über die Reichweite und Auswirkungen von moralischen Entscheidungen auf. Auch die Folgen von Revolutionen und unterschiedlichen Herrschaftssystemen sowie der Ost-West-Konflikt werden im Spiel thematisiert und gut dargestellt.
Insgesamt beleuchtet „1979 Revolution: Black Friday“ damit auf motivierende Art und Weise eine ereignisreiche Periode in der Geschichte des Irans, welche das Land heute noch prägt und damit nicht nur eine historische, sondern auch eine tagesaktuelle Relevanz besitzt.
Platzhalter
Dieses Spiel wurde beurteilt von:

Siehe auch

Spielbeurteilung

We. The Revolution

Man spielt den Richter eines Tribunals der Französischen Revolution. Um im Amt zu bleiben, muss man die eigene Moral über Bord werfen, denn man ist von der Gunst verschiedener Gruppen abhängig.

Spielbeurteilung

Through the Darkest of Times

Dieses ausgezeichnete Strategiespiel macht den Widerstand gegen den Nationalsozialismus spielerisch erlebbar. Mit dem passenden Konzept ist sogar ein Einsatz im Schulunterricht möglich.

Spielbeurteilung

Help Will Come Tomorrow

Überleben in der sibirischen Wildnis ist an sich schon kein Zuckerschlecken. Prallen dabei noch unterschiedliche Weltbilder aufeinander, entsteht viel Arbeit – und eine spannende Geschichte.

Bildnachweise

[1]1979 Revolution: Black Friday / iNK-Stories, N-Fusion Interactive / steampowered.com[2]1979 Revolution: Black Friday / iNK-Stories, N-Fusion Interactive / Screenshot[3]1979 Revolution: Black Friday / iNK-Stories, N-Fusion Interactive / Screenshot[4]1979 Revolution: Black Friday / iNK-Stories, N-Fusion Interactive / Screenshot[5]1979 Revolution: Black Friday / iNK-Stories, N-Fusion Interactive / Screenshot[6]We. The Revolution / Klabater / Screenshot by spielbar.de[7]Through the Darkest of Times / HandyGames / Screenshot by spielbar.de[8]Help Will Come Tomorrow / Klabater / steampowered.com

Schreib einen Kommentar

* Pflichtangaben