Spielbeurteilung

Cyberpunk 2077

01.07.2021
In der dystopischen Welt dieses actionreichen Rollenspiels herrschen die Konzerne. Um inmitten von Ausbeutung, Gewalt und Korruption zu überleben, erledigt die Hauptfigur "V" ihrerseits kriminelle Aufträge und überschreitet die Grenzen menschlichen Seins.

Geschichte


Im First-Person-Shooter Cyberpunk 2077 schlüpfen wir in die Rolle der Spielfigur V. Wir leben im Jahr 2077 in der Stadt Nightcity. Menschen modifizieren sich mittlerweile mit Hilfe von kybernetischen Veränderungen und Bauteilen selbst. Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine sind kaum noch vorhanden. Nightcity ist eine von wenigen Megastädten in den USA. Hier gilt das Gesetz der Stärkeren und Gewalt, Sex und Brutalität sind allgegenwärtig. Um in dieser Dystopie über die Runden zu kommen, müssen wir für die verschiedenen Fraktionen der Stadt Aufträge ausführen.

Illegale Tätigkeiten werden von der Polizei verfolgt. Aber schon beim Laufen um die nächste Häuserecke geben die Cops die Suche schnell auf.

Im Zuge eines schief gelaufenen Diebstahls eines sogenannten Bio-Chips setzen wir uns diesen auf der spektakulären Flucht selbst ein. Von da an spukt der digitalisierte Charakter des 2023 verschwundenen und legendären Johnny Silverhand (gespielt von Keanu Reeves) in unserem Kopf herum und führt uns mit der Zeit immer tiefer in die Verstrickungen der Stadt. Da der Bio-Chip nach und nach aber unseren eigenen Verstand und Charakter zu überschreiben droht und nicht einfach entfernt werden kann, begeben wir uns auf die Suche nach Hilfe, um den Chip wieder los zu werden. Im Laufe der Geschichte stoßen wir auf viele verschiedene Charaktere von denen wir nie genau wissen, ob sie uns helfen oder ob sie uns gerade hintergehen wollen.

Mit sogenannter Cyberware lassen sich über eine neuronale Schnittstelle Informationen über Personen abfragen, aber auch viele elektronische Gegenstände im Spiel hacken.

Das Spiel Cyberpunk 2077 des Entwicklerstudios “CD Projekt” (unter anderem bekannt für die preisgekrönte und später verfilmte “The Witcher” Spielreihe) wurde schon lange und sehnsüchtig erwartet. Das Spiel wurde kurz nach Erscheinen von den älteren Konsolengenerationen (Playstation 4 und X-Box One) aufgrund technischer Probleme zurückgezogen und die Käufer bekamen ihr Geld zurückerstattet. Die alten Generationen der Konsolen waren nicht mehr in der Lage das grafische Spektakel flüssig und ohne Abstürze darzustellen. Hier musste sich das Studio einiger berechtigter Kritik aussetzen. Cyberpunk 2077 baut auf dem Universum des Pen&Paper-Rollenspiels “Cyberpunk 2020”
auf und spielt 57 Jahre später.

Selbst in abgelegenen Ecken der Spielwelt simuliert das Spiel das Leben der Bevölkerung.

Stars wie Keanu Reeves stellten sich für das Spiel zur Verfügung, aber auch bekannte Livestreamer und Youtuber erhielten Rollen und/oder durften Figuren einsprechen. Zu den Bekanntesten gehören hier Gronkh, HandOfBlood, Lara Loft und noch einige weitere.

In Cyberpunk 2077 können wir uns in der gesamten Stadt Nightcity und den Außenbezirken neben der Hauptgeschichte völlig frei bewegen – typisch für ein Open-World-Spiel. Die Stadt wird beherrscht von Korruption und Gewalt, so dass wir eigentlich an jeder erdenklichen Ecke im Spiel in Konflikte geraten und diese mit wenigen Ausnahmen sofort in wilde Schießereien ausarten. Ob wir dabei im Nahkampf oder mit lauten und leisen Schusswaffen vorgehen bestimmen wir selbst.

Die Nomaden-Söldnerin Panam Palmer begleitet uns bei einer gemeinsamen Mission. Im späteren Spielverlauf kann sich mit ihr eine Romanze entwickeln.

Im Laufe der Geschichte ist es unserer Spielfigur auch möglich, mit einigen Charakteren sexuelle Beziehungen aufzubauen. Die Zielgruppe des Spiels sind Erwachsene und das Spiel wurde von der USK ab 18 Jahren freigegeben.
Andreas Langer
Dieses Spiel wurde getestet von:

Pädagogische Beurteilung:

Bereits der erste Blick in das Spiel macht deutlich: Die USK hat hier mit einer Freigabe ab 18 Jahren alles richtig gemacht. Im Spielverlauf gibt es wirklich wenig Phasen, in denen es nicht zu Gewalt kommt. Dabei sind die sprachlichen Beschimpfungen und Entgleisungen der verschiedenen Charaktere noch die harmlosesten Akzente. Für Kinder ist dieses Spiel in keinem Fall geeignet.

Für Erwachsene bieten sich in dem Spiel einige Möglichkeiten sich mit für manche durchaus unbequemen Themen auseinander zu setzen. Es ist z.B. jede Kombination von primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen möglich und angebliche körperliche Schwächen werden in dieser Zukunft einfach durch sogenannte kybernetische Cyberware (z.B. Verbesserungen für stärkere Arme oder Beine) ausgeglichen. Viele Spielende werden sich vermutlich dabei erwischt haben, mit den verschiedenen Funktionen herumgespielt und wild ausprobiert zu haben, was im Charakter-Editor alles möglich ist. Hier fehlt dann leider die tiefere Einbindung in das Spielgeschehen - es wird noch zu wenig aus dieser anfänglichen Offenheit gemacht. Die verschiedenen Charaktere definieren sich viel zu häufig über Macht, Einfluss und Brutalität, was gleichzeitig aber in das Setting einer Stadt wie Nightcity passt.

In der politischen Bildung lässt sich dieser, meiner Meinung nach starke und offene, Ansatz in Games durchaus nutzen. Themen wie Homophobie, Transgender usw. ließen sich z.B. in dieser Dystopie spannend beleuchten.

Dystopie, aber stellenweise noch zu oberflächlich

Aufgrund der großen Spielwelt die uns das Spiel bietet gibt es immer wieder Punkte an denen ich etwas mehr erwartet hätte. Stellenweise oberflächlich gestaltet wirken die Spielfiguren abseits der Haupterzählung. Begegnungen und Handlungen wiederholen sich teilweise. Nightcity ist wahnsinnig aufregend und mit viel Aufwand gestaltet, wirkt aber an ein paar Stellen noch etwas unfertig. Dafür steckt hoffentlich in den zukünftigen Updates des Spiels noch eine Menge Potential.

Hauptgeschichte mit viel Spielraum und Entscheidungsfreiheit

Die umfangreiche und schön gestaltete Spielgeschichte lädt geradezu zum Diskutieren ein: Die großen Konzerne haben so stark an Macht und Einfluss gewonnen, dass sie die Politik und die Stadt steuern. Die Geschicke der Menschen werden von ihnen fast beliebig gelenkt. Der Vergleich mit unserer heutigen Zeit, in der die großen Tech-Konzerne wie Amazon, Google und Apple auch immer mehr an Einfluss in der Welt gewinnen, ist durchaus lohnenswert. Mittendrin findet die Geschichte unserer Hauptfigur statt, die uns je nach gewählten Entscheidungen im weiteren Spielverlauf mehrere und sich teils deutlich unterscheidende Ausgänge der Story beschert.

Das Spiel gibt uns die Möglichkeit unsere Spielfigur im Spielverlauf so zu entwickeln wie wir gerne spielen. Ob brachiale Gewalt mit Schuss- oder Nahkampfwaffen, Schleichen oder Hacken - wir haben immer die Wahl wie wir die nächste Mission oder Spielaufgabe angehen wollen. Dafür bietet uns das Spiel durch ein Levelsystem eine Vielzahl von Talentbäumen an in denen wir die Fähigkeiten unserer Spielfigur nach Belieben weiter ausbauen und entwickeln können.

Das Kastensystem

Cyberpunk bietet uns bei der Charaktererstellung die Möglichkeit zwischen verschiedenen “Kasten” zu wählen. Zur Auswahl stehen dabei die in den Außenbezirken lebenden und umherziehenden Nomaden, die am Boden der Stadt lebenden Streetkids und die Konzern-Mitglieder die in den Wolkenkratzern der Stadt leben und mit Geld und Macht spielen. Hieraus hätten die Entwickelnden durchaus mehr machen dürfen: Bis auf leicht veränderte Dialoge und den jeweilig individuellen Prolog zu Beginn der Geschichte, spielt dieses Kastensystem nur eine untergeordnete Rolle. Genau diese Punkte wären es aber wert näher vom Spiel betrachtet oder eingebunden zu werden und die Spielenden zum Nachdenken anzuregen.

Transhumanismus

Spannend ist die Umsetzung der sogenannte Cyberware, der allgegenwärtigen Vernetzung und den sich damit bietenden Möglichkeiten für die Geschichte und Figuren im Spiel. Hier können leicht Fragen zum Thema Datenschutz, AI und KI und Kybernetik gestellt werden. Ohne Probleme lässt sich hier ein politischer Diskurs eröffnen und über Zukunftsfragen unserer fortschreitenden technischen Entwicklung diskutieren. Gerade das Für und Wider wird im Spielverlauf und den Nebengeschichten auch immer wieder thematisiert und kann den Spielenden durchaus zu Denken geben.

Fazit:

Am Ende ist Cyberpunk 2077 ein wahnsinnig eindrucksvolles, aber auch brutales Spiel geworden. Die Darstellung der Stadt mit all ihren Gegenden ist teilweise wirklich atemberaubend. Man bekommt eine Dystopie gezeigt, die sich durchaus in der Zukunft so abspielen könnte - zeigen sich doch im Spielverlauf immer wieder Parallelen zur heutigen Zeit und aktuellen technischen und politischen Entwicklungen.
Andreas Langer
Dieses Spiel wurde beurteilt von:

Bildnachweise

[1]Cyberpunk 2077 / CD Project Red / Screenshot by spielbar.de[2]Cyberpunk 2077 / CD Project Red / Screenshot by spielbar.de[3]Cyberpunk 2077 / CD Project Red / Screenshot by spielbar.de[4]Cyberpunk 2077 / CD Project Red / Screenshot by spielbar.de[5]Cyberpunk 2077 / CD Project Red / Screenshot by spielbar.de