Assassin's Creed Origins Discovery Tour

05.09.2018
Der pädagogische Modus Discovery Tour wurde als zusätzlicher Inhalt für Assassin's Creed: Origins nachgereicht. Dieser soll historisches Wissen auf eine leicht zugängliche und unterhaltsame Art vermitteln. Eine neue Möglichkeit Geschichte zu erfahren?

Seit dem ersten Teil der Spielereihe Assassin's Creed wurde von den Entwicklern ein besonderer Fokus auf die historischen Schauplätze gelegt. Landschaften und NPCs sollen möglichst historisch korrekt aussehen und der Spieler soll außerdem die Möglichkeit bekommen, mit Darstellungen realer historischer Persönlichkeiten zu interagieren. So konnte man in Assassin's Creed II Leonardo da Vincis Erfindungen ausprobieren, in Blackflag mit Blackbeard über die Meere segeln und in Unity mit Napoleon die Französische Revolution erleben. Seit Teil 2 werden historische Fakten sogar in das Spiel in Form einer Enzyklopädie eingebettet. Hier kann der Spieler Ereignisse, Personen und Orte nachschlagen. Diese Funktion fand sich in allen folgenden Spielen wieder.

Im neusten Ableger Assassin's Creed: Origins hingegen, welcher im ptolemäischen Ägypten (um 50 v. Chr.) spielt, ließen sich die Entwickler etwas Neues einfallen. Die Datenbank wurde komplett aus dem Hauptspiel gestrichen. Als Ersatz wurde im Februar 2018 das kostenlose DLC Discovery Tour veröffentlicht, welches auch als eigenständiges Anwendung (19,99€) erhältlich ist. Laut Ubisoft soll es „ein pädagogischer Modus des Spiels Assassin's Creed Origins [sein], in dem du eine Welt ohne Konflikte oder Gameplay-Restriktionen entdecken und erkunden kannst.“ Schon im Hauptspiel konnte der Spieler die Landschaften des Nils und der ägyptischen Wüsten, die Oase Siwa, die Pyramiden von Gizeh oder die Städte Alexandria und Memphis erforschen. Jetzt ist dies auch ohne Missionen, ohne Konflikte und ohne Zeitdruck möglich. Bei der virtuellen Nachbildung der antiken Orte soll es sich nicht um kreative Konstruktionen der Entwickler handeln, sondern vielmehr historische Repliken, die in Zusammenarbeit mit Archäologen, Historikern und Architekten entwickelt wurden.

Im Reisepass-Menü kann der Spieler alle Touren auf einen Blick sehen.

Das Herzstück sind die 75 geführten Entdeckungstouren, die zwischen drei und zwanzig Stationen beinhalten und mit einem beliebig wählbaren Avatar durchlaufen werden. Diese dauern zwischen fünf und zwanzig Minuten. Genau wie bei einer Museumsführung bleibt die Figur an den Wegpunkten stehen und ein Sprecher (oder eine Sprecherin) erklärt, was der Spieler dort sehen kann. Dazu gibt es weiterführende Informationen, wie Scans oder Bilder von Museumsstücken aus dem British Museum, dem Louvre oder anderen Museen.

Die Touren sind thematisch in fünf Kategorien unterteilt: Ägypten, Pyramiden, Alexandria, Alltagsleben und Römer. Man erfährt etwas über bekannte Personen wie Kleopatra, Julius Caesar und Alexander den Großen. Der Schwerpunkt liegt jedoch klar auf Alltags- und Kulturgeschichte. Warum ist Salz so wichtig für die Ägypter und wie gewannen sie es? Was hat es mit dem ganzen Natron auf sich? Wie aßen die alten Ägypter und wie beerdigten sie ihre Toten? Bei Tätigkeiten wie Brotbacken oder dem Fertigen von Kleidungsstücken kann der Avatar die Handlung nachahmen. So erlebt man quasi aus erster Hand, wie alltägliche Dinge damals funktionierten.

Bei der Discovery Tour können sich die Spieler frei bewegen und einige Touren sogar mit dem Boot absolvieren.

Obwohl Origins im ptolemäischen Ägypten spielt, beschränken sich nicht alle Touren auf diese Zeit. Einige beziehen sich beispielsweise auf die alexandrinischen Eroberungen rund 300 Jahre zuvor oder den Bau der Pyramiden 2500 Jahre früher. Andere Führungen behandeln auch die Archäologie und Ägyptologie, etwa die Entzifferung der Hieroglyphen durch Jean-François Champollion. Immer wieder wird innerhalb der Touren auf geschichtswissenschaftliche Leerstellen verwiesen, die die Entwickler kreativ gefüllt haben. So gibt es zum Beispiel keine Überlieferungen, wie die Bibliothek von Alexandria ausgesehen hat, hier orientierte man sich an der Celsus-Bibliothek in Ephesos. So wird ein Blick hinter die Kulissen der Spieleentwicklung ermöglicht.

Inhaltlich schwankt das Niveau der Touren von oberflächlichem Erklären bis hin zu Fachvorträgen. Das macht es sowohl für Schüler niedriger Stufen zugänglich, als auch die zweite Sekundarstufe. Pädagogisch betrachtet wären weitere Quellen und Deutungen interessant gewesen. Gerade zu Themen, bei denen es an Quellen mangelt, gibt es in der Forschung häufig verschiedene Interpretationen. Auch die Angabe von Quellen, Literatur und Autoren der einzelnen Touren wäre wünschenswert gewesen.

Der Fokus liegt auf Alltagsgeschichte, die auf Basis der schriftlichen Überlieferungen rekontruiert wird.

Immer wieder wurden in pädagogischen Fachkreisen Möglichkeiten diskutiert, die Spiele der Assassin's Creed-Reihe kreativ für den Geschichtsunterricht einzusetzen. Bisher war dies kaum möglich, weil alle Teile eine USK Einstufung 16 haben. Die Discovery Tour wurde von der USK als „LEHR“-Programm gekennzeichnet und eröffnet so neue Möglichkeiten. Marc-Andre Éthier, Geschichtsdidaktiker an der Universität Montréal, entwickelte eine nicht repräsentative Studie um herauszufinden, ob Schüler mit der Discovery Tour wirklich etwas lernen können. Neun Testgruppen á 40 Schüler schrieben einen Test über die Bibliothek in Alexandria, 20 von ihnen spielten danach die entsprechende Tour, die andere Hälfte hatte eine kurze Unterrichtseinheit zu demselben Thema. Danach schrieb die ganze Gruppe den Test erneut. Während die Schüler, die am Computer lernten, sich um 22-41 % verbesserten, war die klassische Lerngruppe bis zu 55 % besser als in dem ersten Test. Obwohl die klassisch unterrichteten Schüler schneller lernten, verbesserten sich auch die Schüler, die mit der Discovery Tour lernten.

Nicht erforscht ist die Kombination von regulärem Geschichtsunterricht und der Discovery Tour oder der motivierende Effekt auf Schüler mit Videospielen lernen zu können. Für Schulen könnte es allerdings zu Schwierigkeiten kommen, da sie nicht über die geeignete Hardware verfügen. Die Discovery Tour kann am PC, Xbox One oder der PS4 gespielt werden.

Die Aufteilung in unterschiedliche Touren bietet Möglichkeiten für verschiedene Methodiken an und erlaubt außerdem einen flexiblen Wechsel zwischen der virtuellen Welt und dem Klassenzimmer. Vor allem Gruppenarbeiten zu verschiedenen Themen eignen sich hier. Ein großer Vorteil ist der Fokus auf alltags- und kulturgeschichtlichen Aspekten. Diese kommen im klassischen Geschichtsunterricht oft zu kurz, liegen hier die Schwerpunkte doch eher auf der Ereignisgeschichte.

Es bleibt abzuwarten, ob Ubisoft das Modell auch für die bereits erschienenen und noch kommenden Spiele der Reihe öffnet. Denn Discovery Tour ist ein Spielmodus, der es erlaubt, Geschichte auf spielerische Weise zu erleben und dabei etwas zu lernen.

Methode für den Unterricht
Auf digitale-spielewelten.de sind Methodenvorschläge zum Einsatz im Unterricht erschienen.

Literatur
- Wollten Sie auch immer schon einmal pestverseuchte Kühe auf Ihre Gegner werfen? Eine fachwissenschaftliche Annäherung an Geschichte im Computerspiel. Angela Schwarz (Hg.). 2. Erweiterte Auflage. Münster 2012.
- Angela Schwarz: Narration und Narrativ. In: Frühe Neuzeit im Videospiel. Geschichtswissenschaftliche Perspektiven. Florian Kerschbaumer, Tobias Winnerling (Hg.). 2014 Bielefeld.
- Christoph Klimmt: Computerspielen als Handlung. Dimensionen und Determinanten des Erlebens interaktiver Unterhaltungsangebote. Köln 2006.
- Matthew Barr: Computer games and learning: the current state of play. In: Playing with Virtuality. Theories and Methods of Computer Game Studies. Benjamin Bigl, Sebastian Stoppe (Hg.). Frankfurt a. M. 2013.
Ann-Kristin Gaumann
Dieser Artikel wurde verfasst von:

Siehe auch

Spielbeurteilung

Assassin‘s Creed Origins

Assassin‘s Creed Origins ist der neuste Teil der Spielreihe und führt in das Alte Ägypten zur Zeit von Kleopatra und Cäsar. Dort wartet ein spannendes und emotional aufwühlendes Abenteuer, jedoch gibt es auch etwas über das Leben in der Antike zu lernen.

Lutz Schröder (2012):

Computerspiele als Zugang zur Geschiche? Das Beispiel Empire: Total War

Sensibiliserung für Geschichtsthemen oder unzulässige Vereinfachung? Über historische Zusammenhängen in Games kann viel diskutiert werden. Lutz Schröder stellt in seinem Fachbeitrag daher zunächst die Frage, ob „Historienspiele“ überhaupt als neuer Zugang zu Geschichte fungieren können. Einiges spricht dafür.

Patrick Lenz (2015):

Erster Weltkrieg virtuell – historisches Lernen im Computerspiel?

Wie können Computerspiele mit historischen Inhalten im pädagogischen Kontext nutzbar gemacht werden? Patrick Lenz nähert sich dem Thema und stellt unterrichtsdidaktische Überlegungen an zum Einsatz von Computerspielen im Geschichtsunterricht am Beispiel von Valiant Hearts: The Great War.

Bildnachweise

[1]Assassin's Creed Origins Discovery Tour / Ubisoft / Screenshot by spielbar.de[2]Assassin's Creed Origins Discovery Tour / Ubisoft / Screenshot by spielbar.de[3]Assassin's Creed Origins Discovery Tour / Ubisoft / Screenshot by spielbar.de[4]Assassin's Creed Origins Discovery Tour / Ubisoft / store.ubi.com[5]Assassin's Creed Origins / Ubisoft / ubisoft.com