spielbar-Jugendredaktion

Lassen sich Games in der Schule realisieren?

03.11.2018
Mit Spaß bei der Arbeit: Die Produktion der Videos ist im vollen Gange.
Ein Computerraum für 1000 Schüler ist häufig traurige Realität an deutschen Schulen. Wie können Games in einer solchen Realität in Schule eingesetzt werden?

An diesem Wochenende lädt das PLAY-Festival in Hamburg zum elften Mal Videospielschaffende und -interessierte ein, um die vielfältigen Möglichkeiten des Mediums zu erkunden und unter dem Motto “Ready Game Change – Create a New Tomorrow” neue Einsatzbereiche zu erforschen, um mit Videospielen der Welt von morgen Form zu geben. Und diese Welt von morgen wird besonders durch die junge Generation gestaltet werden, jene die teilweise noch die Schulbank drückt. Deshalb ist es wichtig, Videospiele fest in den Schulunterricht zu integrieren, um einen bewussten Umgang mit diesem zukunftsweisenden Medium zu provozieren, der aus Rezipienten vielleicht einmal Produzenten werden lässt.

Mit der grundlegenden Idee die klassische Lektüre im Deutschunterricht durch Videospiele zu ersetzen befasst sich der Medienpädagoge Dr. Jan Boelmann. Er argumentierte in seiner Fortbildung auf der PLAY18: Durch die Arbeit mit deutschen Klassikern im Unterricht sei es nicht möglich die wahre literarische Kompetenz der Schüler abzuprüfen, da sie zwar z.B. im Stande seien eine Inhaltsangabe zu schreiben, häufig aber am Verständnis des Textes scheiterten und so ihre wahren Fähigkeiten gar nicht unter Beweis stellen dürfen. Als Lösung für diese Problematik sieht er die Verwendung narrativer Videospiele in der Schule (also jene mit Fokus auf die Handlung und nicht unbedingt auf hochkomplexe Spielmechaniken). Besonders Adventurespiele prüften das Handlungsverständnis in einer besonderen Weise ab, da der Spieler zum Weiterkommen nicht nur die derzeitige Situation komplett verstehen, sondern auch mögliche Thesen für den Fortlauf der Handlung aufstellen müsse – dies sei eine Aufgabe, die vor allem leistungsschwachen Schülern im herkömmlichen Deutschunterricht sehr schwer falle. Zusätzlich werde auch das Figurenverständnis verstärkt, indem sich der Spieler mit seiner Spielfigur direkt identifizieren könne und die individuellen Stärken und Schwächen des Charakters durchblicken muss, um mit ihnen die gestellten Puzzles zu lösen.

Während der Einsatz von Videospielen im Deutschunterricht also durchaus Sinn ergibt, so ist er nicht nur auf dieses Fach beschränkt – im Talk “Erinnerungskultur in Games” sprachen der Entwickler Jörg Friedrich, der Geschichtsjournalist Christian Huberts und der Historiker Nico Nolden darüber, wie Spiele unser historisches Verständnis prägen. Die Panelmitglieder waren sich einig, dass sowohl Powerfantasien, als auch die unreflektierte Wiedergabe von Geschichtsmythen einer verantwortungsvollen Weitergabe von Geschichte im Weg stünden. Während also Spiele wie “Wolfenstein” oder “Anno 1800” mit seiner Sklavereidebatte für den Geschichtsunterricht denkbar ungeeignet sind, könnten “Assassin’s Creed: Origins’ Discovery-Modus" oder “Valiant Hearts – The Great War”, die auf viele Spielmechaniken wie beispielsweise das Kämpfen verzichten, eine sinnvolle Ergänzung zum geschichtlichen Lehrplan darstellen. Auch Friedrichs auf dem Panel vorgestelltes Spiel “Through the Darkest of Times” würde sich in diesem Kontext gut eignen. Die Mitglieder einer Widerstandgruppe gegen das nationalsozialistische Regime werden hier in jeder Spielrunde neu generiert und bringen ihre eigenen Lebenserfahrungen mit, so wird vor dem historischen Hintergrund jedes Mal eine neue Geschichte dargestellt, die verspricht, den Spieler immer wieder in ihren Bann zu ziehen. Dieses Angebot könnte auf jeden Fall helfen, das staubtrockene Analysieren historischer Reden aufzulockern.

Bei all diesen Möglichkeiten darf aber nicht vergessen werden, dass Schulen heute noch nicht einmal für Office-Anwendungen adäquat ausgestattet sind - ein Computerraum für 1000 Schüler ist die traurige Realität in der Bundesrepublik. Wie kann man unter solchen Umständen daran denken, solch anforderungsreiche Spiele in den Unterricht zu bringen? Laut der JIM-Studie besaßen 2017 97% aller Jugendlichen von 12-19 ein eigenes Smartphone, viele narrative Spiele lassen sich bereits auf preiswerten Geräten installieren. Aber auch die Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft der Bundesregierung verspricht mit über fünf Milliarden Euro den Status Quo deutlich zu verbessern und das Lernen in der Schule zukunftssicher zu gestalten.
Platzhalter
Dieser Artikel wurde verfasst von:
Luis Fischer (17)

Bildnachweise

[1]Bild von Creative Gaming, Play 2016