Fotografieren im Spiel: In-Game-Photography

11.08.2016
In-Game-Photography bedeutet mehr als zufällig gemachte Screenshots. Die Fotografinnen und Fotografen dahinter machen sich genaue Gedanken über ihr Motiv und schaffen so ästhetisch anspruchsvolle Bilder von Computerspielen. Diese stehen realen Fotografien in nichts nach.

Eine malerische Landschaft in den Bergen von The Witcher 3: Wild Hunt oder spannende Architektur in Mirror’s Edge: Macht eine Person einen Screenshot, dokumentiert sie damit einen Moment oder eine Szene innerhalb eines Computerspiels. Allerdings ist Screenshot nicht gleich Screenshot. Einige eifrige Fans machen sich genaue Gedanken darüber, welches Motiv, welchen Ausschnitt und welchen Blickwinkel sie wählen. Sie wollen so eine bestimmte Erfahrung mit anderen teilen oder eine Botschaft transportieren. Daher spricht man hier nicht mehr von Screenshots, sondern von In-Game-Photography.

Mittlerweile ist In-Game-Photography ein fester Bestandteil der Spielkultur. Wurden früher per Drucktaste auf dem Keyboard Screenshots gemacht, bieten mehr und mehr Spiele eine eingebaute Fotofunktion an. In dem Actionspiel Grand Theft Auto V kann man zum Beispiel das Smartphone des Protagonisten verwenden, um damit Fotos aus seiner Perspektive zu schießen. Zudem hat sich die In-Game-Photography-Szene mehr und mehr professionalisiert. Um die Illusion eines realen Fotos authentischer zu gestalten, werden zum Beispiel in dazugehörigen Foren Mods angeboten, mit denen man alle störenden Anzeigen auf dem Bildschirm ausblenden kann oder die Grafik hochauflösender erscheinen lässt.

„The Man in the High Castle“, Mirror’s Edge (2008), Duncan Harris. (Bild via DeadEndThrills.com )
Zu den bekanntesten In-Game-Fotografen gehören unter anderem die britischen Spielejournalisten Andy Kelly, dessen Projekt Other Places wir bereits auf spielbar.de vorgestellt haben, und Duncan Harris, der auf seiner Homepage DeadEndThrills.com ästhetisch anspruchsvolle Fotografien zu über 70 Spielen archiviert. Ein interessantes, aktuelles Projekt stammt vom irischen Künstler Alan Butler. Unter dem Namen Down and Out in Los Santos sammelt er Aufnahmen der Obdachlosen aus dem Spiel Grand Theft Auto V – und rückt damit die oftmals unbeachteten NPCs in den Vordergrund.

„Down and Out in Los Santos“, GTA V (2013), Alan Butler. (Bild via downandout.in-los-santos.com)
Einen anderen Ansatz verfolgt der niederländische Künstler Robert Overweg. Er widmet sich den „Rändern“ virtueller Welten und erforscht Glitches, also Programmierfehler, in Computerspielen. Er nutzt diese aus, um vom Spiel nicht vorhergesehene Bereiche zu betreten, und zeigt so ungewohnte Blickwinkel auf. Für ihn offenbaren diese Programmierfehler eine sehr menschliche Seite der Computerspiele: „To me where something goes wrong in a game, when a glitch happens, that is the most human things to happen in a virtual world."

„The façade”, Half-Life 2 (2004), Robert Overweg. (Bild via shotbyrobert.com)
Im Gegensatz zur realen Fotografie ist In-Game-Photography stets kollaborativ. Sie entsteht also in Zusammenarbeit mit mehreren Personen. Auf der einen Seite erschaffen die Designer/innen und Programmierer/innen eines Spiels eine virtuelle Welt. Auf der anderen Seite sind es die Fotografen/innen, die entscheiden, was und wie sie einen Ausschnitt aus dieser virtuellen Welt präsentieren. Und damit auch die Arbeit des jeweiligen Entwicklerstudios honorieren.

Weblinks

Andy Kelly: Other Places

Duncan Harris: DeadEndThrills.com

Alan Butler: Down and Out in Los Santos

Robert Overweg: ShotByRobert.com
Sarah Pützer
Dieser Artikel wurde verfasst von:

Siehe auch

„Other Places“: Die Schönheit digitaler Landschaften

Hinter dem Titel „Other Places“ versteckt sich ein ganz besonderer Reiseführer. Die Kurzfilmreihe des Spielejournalisten Andy Kelly widmet sich verschiedenen Landschaften aus Computerspielen – und setzt sie mit langsamen Kamerafahrten und eindringlicher Musik gekonnt in Szene.

In-Game-Photographie

Motivsuche im Computerspiel

Während sich die einen beim Spielen auf den perfekten Sprung oder den präzisen Schuss konzentrieren schauen die In-Game-Photographen mit ganz anderen Augen auf die virtuelle Welt. Doch kann man auch bei Screenshots von Photographie reden?

Bildnachweise

[1]Robert Overweg

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