Computerspiele und Literatur: Ready Player One & Erebos

11.05.2016
Literatur und Computerspiele stehen in vielen Beziehungen zueinander. Viele Spiele sind von Schriftstellerinnen und Schriftstellern inspiriert oder haben einen bestimmten Roman als Vorlage. Wie verhält es sich aber umgekehrt? Wie werden Computerspiele in der Literatur umgesetzt? Wir stellen zwei Beispiele vor.

Ob Halo, Assassin’s Creed oder Mass Effect – zu jeder beliebten Spielreihe gibt es auch den passenden Roman. Meist handelt es sich dabei um die Vor- oder Nachgeschichte zum Spiel. Die Tatsache, dass es sich dabei um Computerspiele handelt, wird in den Büchern nicht thematisiert.  Wie aber entwerfen Romane eine digitale Spielwelt, wenn sie keine Vorlage haben, auf die sie sich stützen können? Nachdem wir  uns auf spielbar.de bereits angeschaut haben, wie literarische Welten in Computerspielen umgesetzt werden, geht es nun um den umgekehrten Fall: Wie werden digitale Spielwelten in Büchern entworfen?

Ready Player One

Computerspiele nehmen zum Beispiel in Ernest Clines Roman Ready Player One von 2010 eine zentrale Rolle ein. Nachdem die Erde von Umwelt- und Wirtschaftskrisen heimgesucht wurde, sind die Menschen im Jahr 2044 verarmt. Daher flüchten sie in die virtuelle Welt des Computerspiels OASIS. Als schließlich der Erfinder von OASIS stirbt, soll sein ganzes Vermögen an die Person vererbt werden, die ein geheimes Easter Egg in seinem Spiel findet. Eine Schatzsuche beginnt, an der sich der 18-jährige Ich-Erzähler Wade beteiligt. In Rollenspielmanier gilt es Rätsel und Quests zu lösen, Level aufzusteigen und nebenbei die zahlreichen Referenzen zur Videospielkultur der achtziger Jahre zu entdecken.


Booktrailer zu Ready Player One (YouTube-Video)
“Luckily, I had access to the OASIS, which was like having an escape hatch into a better reality. The OASIS kept me sane. It was my playground and my preschool, a magical place where anything was possible.”

Mit OASIS schafft der Roman eine virtuelle Welt, die über die Grenzen eines Spiels hinausreichen. Ursprünglich als Computerspiel geplant, wird OASIS stets erweitert und ersetzt allmählich die triste Realität. In der Spielwelt geht man zur Schule, man trifft sich mit Freunden. Das soziale Leben wird in die virtuelle Welt verlagert. Damit spricht Ready Player One neben einer allgemeinen Sozialkritik auch computerspielrelevante Themen an, wie Spielsucht oder das Flüchten in eine andere Welt.

Erebos

Auch der Jugendthriller Erebos (2010) von Ursula Poznanski dreht sich um ein Computerspiel, das immer mehr Platz im Leben der Figuren einnimmt. In einer Londoner Schule wird ein Spiel unter den Schülerinnen und Schülern weitergereicht: Erebos. Protagonist Nick ist von ihm gefesselt. Die Spielenden erhalten Aufgaben, die sie in der realen Welt ausführen müssen. Haben sie eine erfüllt, erhalten sie eine Belohnung. Aus Spiel wird bitterer Ernst, als Nick den Auftrag erhält, seinen Mathelehrer zu ermorden.
„Allmählich hellte der Bildschirm sich auf und gab den Blick frei auf eine sehr realistisch wirkende Waldlichtung, über der der Mond stand. ... Vergeblich versuchte Nick ein Inventar oder ein Spielmenü aufzurufen, aber da war nichts. Keine Hinweise auf Quests oder Ziele, keine anderen Figuren in Sichtweite.“

Bei Erebos scheinen die reale und virtuelle Welt fließend ineinanderzugreifen. Durch die Aufgaben, die im realen Leben ausgeführt werden sollen, lässt sich zwischen Spielwelt und Realität nicht mehr unterscheiden.  Das mysteriöse Computerspiel verändert das Verhalten der Spielenden und versucht sie durch Belohnungen zu manipulieren. Auch hier werden Themen wie Computerspielsucht und ein kritischer Umgang mit dem Medium behandelt – dafür wurde Erebos 2011 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.



Sowohl Ready Player One als auch Erebos zeigen, dass vor allem der Kontrast zwischen realer und virtueller Welt viel Spannungspotential bietet, insbesondere dann wenn die Grenzen zwischen beiden verschwimmen. Die Romane bieten einen Anreiz, sich digitalen Spielen aus einer anderen Perspektive anzunähern. Und zeigen einmal mehr, wie sich Literatur und Computerspiel gegenseitig inspirieren.







Ernest Cline: Ready Player One.
512 Seiten
Verlag: Blanvalet Taschenbuch Verlag
Erscheinungsdatum: Januar 2015
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-442-38030-5








Ursula  Poznanski: Erebos.
488 Seiten
Verlag: Loewe
Erscheinungsdatum: Januar 2010
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-7855-6957-3

Sarah Pützer
Dieser Artikel wurde verfasst von:

Siehe auch

Spiele & Literatur – wie sich beide Medien inspirieren

Spiele und Literatur stehen in vielen Beziehungen zueinander. Mal basiert ein Spiel auf einer beliebten Buchreihe, mal sind Videospiele Thema in Texten. Einige Spiele lassen sich sogar von der ganzen literarischen Welt bestimmter Autoren inspirieren – wir stellen drei solcher Spiele vor.

Thomas Böhm (Hrsg.)

New Level: Computerspiele und Literatur

Der Sammelband New Level: Computerspiele und Literatur vereint Kurzgeschichten, Spielkonzepte, Essays und Interviews verschiedener Autoren, Wissenschaftler und Fachleute, die sich alle mit dem Thema Computerspiele beschäftigen. Die Sammlung überzeugt vor allem durch ihre Vielfältigkeit.

Bildnachweise

[1]Spielbar.de[2]Arte

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