Empathy Games
Eine Lehrstunde in Mitgefühl
02.12.2013
Wie sieht die Gefühlswelt eines depressiven Menschen oder eines Call-Center-Mitarbeiters aus? Empathy Games versuchen fremde Perspektiven zu eröffnen und so Mitgefühl für andere Menschen zu fördern. Diese Serious Games machen keinen Spaß – sie machen nachdenklich.Du hast dich überwunden, doch zur Party zu gehen – ihr zu liebe. Alex, deine Freundin, begrüßt dich, drückt dir ein Bier in die Hand und verschwindet wieder in der Menge. Sie muss noch kurz etwas erledigen. Um dich herum laute Musik, lachende Menschen, bunte Gespräche. Du fühlst dich unwohl, suchst dir einen freien Fleck an der grauen Wand und lehnst dagegen, willst lieber mit niemandem reden. Aus irgendeinem Grund ist es hier sicherer. Ihr verbringt den Rest des Abends miteinander. Sie stellt dir Leute vor, ihr redet in verschiedenen Grüppchen. Du nickst meistens nur. Spät nachts bedankt sie sich bei dir, dass du dich doch überwunden hast zu kommen. Auch wenn sie es liebevoll sagt, bist du dir nicht genau sicher, wie es gemeint ist.
Was hier wie eine Filmszene klingt, ist die Beschreibung einer der ersten Situation im Spiel Depression Quest, in dem man in die Rolle eines depressiven Menschen schlüpft und dessen Gefühlsleben erforscht. Es ist eines von zahlreichen Empathy Games.
Herzschmerz ist nur eine Seite von Empathy Games. Oft geht es auch um noch ernstere Probleme, denen man sonst eher aus dem Weg geht.
Warum sollte man Spiele spielen, die einen frustrieren?
Empathy Games versuchen, hier eine neue Perspektive aufzuzeigen. Sie versetzen die Spielenden in die Rolle eben jenes Call-Center-Mitarbeiters oder Vaters und lassen sie deren teilweise tristen oder problematischen Alltag durchleben. Auf diese Weise können Kinder, Jugendliche oder Erwachsene in einem spielerischen Umfeld Erfahrungen machen, die sonst nur sehr schwer zugänglich wären. So wie ein Drama in Literatur, Film und Theater Emotionen hervorrufen oder nachdenklich machen kann, können auch Spiele dafür sorgen, dass Tränen fließen oder dass man den Sog und die Hilflosigkeit einer Depression geradezu persönlich fühlt. Durch den hohen Immersionsfaktor erlebt man die Frustration praktisch aus erster Hand und kann so ein neues Verständnis für die Situation anderer Menschen entwickeln.
Digitale Spiele sind längst nicht mehr nur ein reines Unterhaltungsprodukt. Neben Themen wie Datenschutz, physikalischem Wissen oder Glücksspielsuchtrücken auch Emotionen und Empathie in den Fokus der Entwicklerinnen und Entwickler. Durch zahlreiche Projekte, insbesondere in der Independent-Games-Szene, können so auch Games mehr und mehr dazu beitragen, den eigenen Blick zu erweitern und bewusster mit anderen Menschen umzugehen.
Siehe auch
Spielbeurteilung
Papo & Yo
Ein kleiner Junge flüchtet sich in eine Fantasiewelt, um den Wutausbrüchen seines Vaters – hier dargestellt als Monster - zu entgehen. Papo & Yo berührt die Spielenden, nicht zuletzt wegen der wahren Geschichte dahinter. Denn der Entwickler gibt in dem Spiel einen Teil seiner eigenen Lebensgeschichte Preis.