Mainstream-Games im Unterricht?
Das Projekt „Spielend lernen!“ des Grimme Forschungskolleg der Uni Köln analysierte in einer Workshop-Reihe die Möglichkeiten von kommerziellen Spielen ohne pädagogischen Hintergrund für den Unterricht und veröffentlichte die Ergebnisse in einem Sammelband, der kostenlos zum Download bereitsteht. Ein hoher Praxisbezug für den Schulalltag und verschiedene fachdidaktische Perspektiven zeichnen die Publikation aus.
Vorteile von kommerziellen Computerspielen im Unterricht
Mainstream Games scheinen zunächst wertlos für den Unterricht. Aber genau darin stecke laut Martin Geisler, Landessprecher der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur Thüringen und Professor für Kultur und Medien an der EAH Jena, ihr Potential für Pädagog*innen. Denn so stünde bei der Auswahl nicht das Medium Computerspiel im Vordergrund („Wir spielen jetzt ein Lernspiel, weil das eben mehr Spaß macht als Frontalunterricht“), sondern der Lebensweltbezug der didaktische Mehrwert, den das Spiel mit sich bringe. Ermöglicht es einen neuen Zugang zum Thema? Kennen es die Schüler*innen bereits aus ihrem Alltag? Welche Assoziationen ruft es hervor und welche Rahmung wäre passend? Solche Fragen müssten vor dem Einsatz geklärt werden. So könne ein kommerzielles Spiel kreativ in den Unterricht integriert werden, anstatt lediglich intentionalen Vorgaben zu folgen, wie es Lernspiele täten. Diese Hybridform bezeichnet Geisler auch als „Serious Playing“.
Vorteile seien beispielsweise die erhöhte Akzeptanz und intrinsische Motivation der Schüler*innen, die Förderung von fächerübergreifenden Kompetenzen wie Problemlösefähigkeit, Orientierungssinn, Kommunikation oder die kritische Auseinandersetzung mit Handlungskonzepten.
Einsatz im Unterricht
Bei der Nutzung von nicht für den Unterricht gedachten Games könnten Lehrende ihrer Kreativität freien Lauf lassen, so lange es Bezug zum Lehrplan habe. Einige Einsatzbeispiele hat Alexander Martin im Sammelband „Spielend lernen!“ veröffentlicht: Sportspiele ließen sich im Sportunterricht nutzen, um Bewegungsabläufe oder Spieltaktiken zu erörtern. Mit historischen Strategiespielen könne der topografische Verlauf realer Schlachten veranschaulicht werden und Managerspiele vermittelten ökonomische Kompetenzen. Online Rätsel oder Quizfragen mit thematischem Fokus könnten bei der Selbstkotrolle helfen. Zu beachten ist, dass die Einsatzfelder dabei so vielfältig sind, dass es keine pauschalen Empfehlungen geben kann.
Auch auf der Meta-Ebene könnten sie Vieles leisten: Die Betrachtung von stark stereotypen männlichen und weiblichen Spielcharakteren rege zu Debatten über Gender und Sexualität an, der narrative oder der ästhetische Charakter des Spiels könne analysiert werden, und der moralische Aspekt des Handlungsverlaufs oder Ende des Spiels könnten diskutiert werden.
Und schließlich können Schüler*innen auch selbst kreativ werden. Sie können Let’s Play-Videos ihrer Lieblingsspiele erstellen, den Handlungsverlauf als Fan-Fiction weiter- oder umschreiben, sich durch Collagen oder Präsentationen mit bestimmten Themen im Spiel auseinandersetzen, in Erzählrunden vom Handlungsverlauf oder den eigenen Spiele-Erlebnissen berichten oder Steckbriefe zu den Charakteren verfassen.
Was muss beachtet werden?
Nach dem Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz 2016 solle lehren und lernen in der Digitalen Welt dem Erziehungs- und Bildungsauftrag folgen, und nicht andersherum. Games sind außerdem kein pädagogisches Wundermittel. Sie könnten den Unterricht sinnvoll ergänzen, aber nicht ersetzen. Was können Computerspiele im Unterricht also überhaupt leisten? Dr. Marco Fileccia, Lehrer, (Fach-)Autor und Experte im Gebiet Medienpädagogik und -kompetenz meint: „Irgendwie alles und nichts. Die Frage möchte ich mal für Bücher hören: Was können Schüler durch den Einsatz von Büchern lernen? Möchte ich Computerspiele wirklich sinnvoll für schulische Zwecke im Fachunterricht nutzen, so muss ich sie in ein didaktisch-methodisches Setting setzen, das ist große Mühe und gelingt auch nicht mit allen Spielen.“ (Lehrer-Online, 2011)
Neben dem Bezug zum Lehrplan und einer sinnvollen didaktischen Einbettung ist das Verhältnis von relevanten und irrelevanten Aspekten im Spiel entscheidend. Auch die Gegebenheiten des Computerspiels selbst, wie Soft- und Hardwareanforderungen, die Spieldauer, und die Altersbeschränkung, müssen für die Nutzung im Schulalltag berücksichtigt werden. Browserspiele erfordern meist keine besondere Hardware, haben keine allzu lange Spieldauer und sind meist – mit Einschränkungen – kostenlos spielbar. Dafür haben sie oft keine Alterskennzeichnung von der USK.
Johannes Breuer, der am GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln zur Nutzung und Wirkung von Computer- und Videospielen forscht und ebenfalls einen Artikel im Sammelband veröffentlich hat, gibt zu bedenken, dass sich der Nutzen von kommerziellen Games im Unterricht nicht unbedingt in einer Verbesserung der Schulnoten abzeichne. Ihr Wirkungsfeld befinde sich eher im Bereich der „Soft Skills“: Die Games würden Motivation, Selbstwirksamkeitserlebnisse oder Kompetenzen der Schüler*innen fördern. Den allgemeinen Querschnitt des Nutzens zu messen sei schwierig, da die Lernpotentiale der Spiele sehr heterogen seien und die Einsatzformen stark variieren würden.
Siehe auch
Faszination Let’s-Play-Videos
Let’s-Play-Videos erfreuen sich insbesondere bei Jugendlichen zunehmender Beliebtheit. Sie sind mittlerweile fester Bestandteil der Gaming-Kultur und finden über Videoplattformen wie YouTube und Twitch Verbreitung.
Assassin's Creed Syndicate
Im neusten Teil der Assassin´s Creed Reihe findet man sich als die Geschwister Jacob und Evie Frye im von Templern regierten, viktorianischen London wieder. Dort nimmt man es mit feindliche Banden und hinterhältigen Templern auf. Wird der neue Open-World-Teil der Assassin's-Creed-Reihe gerecht?
Digitale Spiele für Klein- und Vorschulkinder aus medienpädagogischer Sicht
Spielen bestimmt den Alltag von Kindern. Immer häufiger nutzen sie dafür Tablets und andere mobile Plattformen. Unser Fachartikel blickt auf den Alltag im Elternhaus und in der Kindertagesbetreuung. Wir entwicklen passende pädagogische Kriterien zur Beurteilung von Spielen für die Altersgruppe der 2- bis 5-Jährigen.