Computerspiele im Unterricht: das Medienprojekt „Spielewelten“
Warum gehören Computerspiele in den schulischen Alltag?
Computerspiele sind mittlerweile ein fester Bestandteil der Alltagskultur von Kindern und Jugendlichen. In der Schule taucht dieses Kulturgut bisher nicht auf und die spielerischen Möglichkeiten werden nur am Rande genutzt. Gerade unter Jugendlichen ist die digitale Unterhaltung das dominierende Unterhaltungsmedium. „Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik können und sollten dazu Konzepte entwickeln, wie sich Computerspiele in der schulischen und außerschulischen Bildung einsetzen lassen“ sagt Angela Schwarz, Professorin am Historischen Seminar der Universität Siegen. „Das ist angesichts der Kluft zwischen Unterhaltungsmedium und Bildungsarbeit eine große Herausforderung, jedoch eine, die nicht nur angesichts des Verbreitungsgrades von Historienspielen nicht mehr ignorieren werden sollte.“ Die Erkenntnis, Computerspiele in der Schule einzusetzen, trifft auf eine technisch veraltete Ausstattung, die mit aktuellen Titeln in der Regel nicht zurechtkommt. Für die Pädagogen ist es von entscheidender Bedeutung, konkrete Anleitungen für die Umsetzung zu erhalten.
Das Projekt Spielewelten
Das Projekt Spielewelten ist zwischen 2014 und 2016 an zwei Gesamtschulen in Gelsenkirchen mit Schülern aus unterschiedlichen Jahrgängen durchgeführt worden.
Es trägt das Medium in den schulischen Alltag und verändert die Wahrnehmung aller Beteiligten. Die Schüler produzieren einen Podcast über ein Computerspiel oder ein Thema aus dem Bereich. Das kann ein Beitrag über Alterseinstufungen, Spieletester, Profispieler, Ausbildungsmöglichkeiten oder Spielsucht sein. Der Beitrag wird über das Internet und Social Media „vermarktet“. Wenn das Thema in die entsprechenden Communities wie Facebook oder Twitter eingebracht wird, dann erhöht das die Aufmerksamkeit in der Zielgruppe. Es entsteht ein digitaler Schneeballeffekt, der weit über den Teilnehmerkreis des Projektes hinausgeht. Bei diesem Medium müssen sich die Pädagogen von der Rolle des Experten lösen, die alles über Computerspiele wissen. Hier sind die Jugendlichen und Schüler die Experten.
An der Gesamtschule Berger Feld haben sich 12 Schüler des 8. Jahrgangs in einer fächerübergreifenden Gruppe mit Computerspielen und deren Bewertung beschäftigt. Es wurden Inhalte über die Entstehung und die Geschichte des Mediums vermittelt. Die Schüler haben eigene Bewertungskriterien entwickelt und eine Reihe von Spielen ausprobiert. Sie haben Rezensionen in Form von Podcasts produziert und auf einer dazu eingerichteten Internetseite veröffentlicht.
An der evangelischen Gesamtschule Bismarck haben zwei Gruppen mit jeweils 15 Schülern an dem Projekt teilgenommen. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Programmierung von Spielen und Ausbildungsmöglichkeiten in der Computerbranche. Nach den guten Erfahrungen mit dem Einsatz von Computerspielen haben sich an der Gesamtschule Bismarck anschließend 32 Schüler des 10. Jahrgangs im Fach Geschichte mit dem Spiel „Valiant Hearts“ beschäftigt.
Didaktische Annäherung an das Thema
Die Teilnehmer werden in die Lage versetzt, kreativ mit Sprache, neuen Formen der Kommunikation und digitalen Medien umzugehen. Sie bleiben nicht in der Rolle des Konsumenten der Medien, sondern sie werden Produzenten digitaler Inhalte und lernen diese professionell zu präsentieren. Das fördert die gesellschaftliche Teilhabe, ermöglicht die Reflektion der eigenen Situation und verbessert die Qualifikation für eine berufliche Zukunft. Das Projekt vermittelt Medienkompetenz und gibt Einblicke in zukunftsfähige Berufsfelder, die unter den bestehenden schulischen Rahmenbedingungen sonst kaum möglich sind. Die Vermittlung der Inhalte orientiert sich an der Methodik des „selbstgesteuerten Lernens“ und „autonomen Lernens“. Die Konzepte beschreiben Lernprozesse, bei denen Ziele, Methoden und Sozialformen von den Lernenden mitbestimmt werden.
Den Schülern wird journalistisches Handwerk und technisches Wissen vermittelt, damit sie selbständig Podcasts, Reportagen und Beiträge produzieren können. Eine entscheidende Fähigkeit ist dabei die umfassende und genaue Recherche.
Didaktische Anmerkungen
Innerhalb des Projektes wird in kleinen Gruppen gearbeitet. Dies lässt zum einen eine genügend hohe Differenzierung der Neigungen der Teilnehmenden bezüglich verschiedener Videospielgenres zu und führt zum anderen dazu, dass die Gruppenmitglieder in einer positiven Abhängigkeit zueinanderstehen, wenn sie möchten, dass ihre Arbeit gelingt.
Durch die arbeitsteilige Gruppenarbeit kann der Projetleiter jeder Gruppe zu jedem Zeitpunkt des Projektes auf Anfrage Unterstützung anbieten und kontinuierliches Feedback liefern. Außerdem stellt der Schluss des Projektes eine Präsentationsphase der Arbeiten dar, welche durch den restlichen Kurs kriteriengeleitet ausgewertet werden sollen. Somit ist auch hier eine intensive Phase des Peer-Feedbacks eingeplant, an der alle Teilnehmer des Kurses ihr innerhalb des Projektes erlangtes Expertenwissen zum Thema Videospiele nochmals anbringen können.
Im Mittelpunkt dieser Unterrichtsreihe steht neben der Beschäftigung mit Computerspielen die Erstellung von kurzen Podcasts durch die Schüler in Gruppenarbeit. Podcasts gehören zu den partizipativen Medien. Dies sind Medien, die von beinahe jeder Person ohne großen Aufwand oder besonderem Kenntnisstand erstellt und verbreitet werden können. Die mediale Beteiligung an politischen Diskursen wird dadurch auch Menschen ermöglicht, die sich den traditionellen Partizipationsmöglichkeiten eher verschließen, wie es häufig bei Jugendlichen der Fall ist. Dadurch, dass am Ende dieser Reihe das Medium Podcast mit seinen Vor- und Nachteilen mit den Schülern erörtert werden soll, trägt diese Unterrichtsreihe auch zur Erziehung der Schüler zu mündigen Bürgern und zur Sensibilisierung im Umgang mit partizipativen Medien im Internet bei.
Werden die Podcast-Episoden von verschiedenen Personen erstellt, so spricht man von mehrdimensionalen Podcasts. Sprachproduktions- und Hörverständnisaufgaben können so in die Hausaufgaben verlagert werden. Die Schüler schreiben ihre Hausaufgaben nicht auf, sondern sie sprechen zu Hause oder an einem PC in der Schule in der Fremdsprache, nehmen ihre Sprache mit kostenloser Software auf und stellen sie als Episode online. Im Deutschunterricht ist ein Vorlesepodcast zur Förderung der Lesekompetenz und als schuleigene literarische Fundgrube denkbar. Im Geschichtsunterricht lassen sich Podcasts gut als Medium einsetzen, da sie immer verfügbar sind und Sachverhalte kurz und kompakt darstellen. In dieser Unterrichtsreihe sollen die Schüler einen mehrdimensionalen Podcast erstellen. Ihre Ergebnisse präsentieren die Gruppen in Form von Podcast-Episoden.
Stand der Wissenschaft
Computerspiele und digitale Anwendungen sind für Kinder und Jugendliche ein fester Bestandteil ihres Alltags. Die Schule darf diesen Lebensbereich nicht ignorieren. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ist dieses Thema immer noch eher ein Randbereich. Aktuelle Spiele können einen Platz im Schulunterricht haben, auch wenn sie nicht für diesen Zweck entwickelt wurden. Das sieht auch Linda Breitlauch so: „Assasin´s Creed ist so ein Beispiel. Das Spiel ist ja sehr authentisch, was die Nachstellung von Historie angeht – auch wenn es eine fiktionale Geschichte ist. Dass man also hier auch erkennen kann, wenn man etwas authentisch nachbildet aus längst vergangenen Zeiten – dass sich das zum Beispiel für den Geschichtsunterricht oder für Erdkunde nutzen lässt“.
Beispiel für die praktische Umsetzung im Unterricht
„Dies ist die Geschichte von miteinander verwobenen Schicksalen und einem gebrochenen Herzen in einer in Trümmern liegenden Welt. Sie alle folgen ihrem treuen, vierbeinigen Freund bei dem Versuch, die Grauen der Schützengräben zu überleben. Im Verlauf des Spiels wird sich das Leben all dieser Individuen unauflöslich miteinander verbinden. Freundschaft, Liebe, Opfer und Schicksalsschläge suchen jeden von ihnen heim und jeder versucht, inmitten der Schrecken des Krieges seine Menschlichkeit zu bewahren“. (valianthearts.ubi.com)
„Valiant Hearts: The Great War“ ist 2014 erschienen und wurde von dem französischen Entwicklerstudio Ubisoft Montpellier entwickelt. Es ist eine Mischung aus den Spielgenres Rätselspiel und 2D-Adventure. Erzählt wird die Geschichte von vier Charakteren während des Ersten Weltkriegs. Die grafische Darstellung weicht von aktuellen Spielen ab und erinnert an eine gezeichnete Trickfilm-Optik. Die Entwickler sehen das Spiel als Antikriegsspiel und bezeichnen ihren Stil als „animierte Graphic Novel“.
Es basiert auf Briefen aus dem Ersten Weltkrieg und historischen Materialien. Die Geschichte ist fiktiv, spielt an authentischen Schauplätzen und orientiert sich an historischen Ereignissen. So findet sich der Spieler zum Beispiel in der Marne-Schlacht oder in der Schlacht an der Somme an der Westfront wieder. Bei der Gestaltung des Spiels haben sich die Entwickler an einer ausgedehnten Sammlung von Erinnerungsstücken aus dem Ersten Weltkrieg, wie Briefen an die Front, Orden und andere Gegenstände inspirieren lassen. Das Spiel wurde von der Historikerkommission der französischen „Mission Centenaire 14-18“ für die historische Exaktheit ausgezeichnet. Der besondere Ansatz und die historische Genauigkeit hat dem Spiel viel Lob eingebracht.
Bei „Valiant Hearts“ geht es um das Überleben der Charaktere und ihre Suche nach liebgewonnenen Menschen- Dabei steht die individuelle sehr persönliche Perspektive im Vordergrund. Die große Politik und militärische Strategien bilden lediglich den Rahmen der Handlung. „Valiant Hearts“ geht mit dem historischen Hintergrund verantwortungsbewusst um und bietet dennoch ausreichend spielerische Elemente. Die Entwickler gehen von einer maximalen Spielzeit von acht Stunden aus, wobei viele Spieler mit deutlich weniger Zeit auskommen werden.
Neben einer Fassung für den PC kann das Spiel auch auf mobilen Geräten genutzt werden. Für den Einsatz in der Schule ist es außerdem von Vorteil, dass die technischen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Rechner sehr gering ausfallen. Das Spiel kostet derzeit 14,99 Euro und kann auf digitalen Distributionskanälen wie Steam oder Google Play heruntergeladen werden.
Das Spiel beginnt
Das Projekt wird vorgestellt und die Schüler bekommen die wichtigsten Informationen zu dem Spiel „Valiant Hearts“. Zu diesem Zeitpunkt sollte das Spiel bereits auf den Rechnern der Schule installiert sein. Es bietet sich an, Redaktionsgruppen von zwei bis drei Schülern zu bilden. Falls die technische Möglichkeit besteht, sollte jeder Schüler die Gelegenheit bekommen das Spiel alleine in vier Unterrichtsstunden auszuprobieren.
Der Lehrer erläutert die Aufgabenstellung. Bei der Beschäftigung mit dem Spiel sollen die Schüler eigene Bewertungskriterien für das Spiel entwickeln. Es muss dabei auch beachtet werden, wie genau die historischen Bezüge im Spiel dargestellt werden. Im Anschluss an die Spielphase erstellen die Redaktionsgruppen eine Rezension des Spiels und führen Interviews unter den Spielern durch. Für die Präsentation der Inhalte werden Podcasts erstellt, die anschließend über verschiedene Kommunikationswege veröffentlicht werden. Denkbar sind hier die Internetseite der Schule, Messenger, Social-Media-Plattformen, Soundcloud und die Nutzung lokaler Schulradios. Wichtig ist die Produktion für die Öffentlichkeit, weil die Ergebnisse sonst nur für die Schule relevant bleiben und kein interaktiver Diskurs stattfindet.
Für die Aufnahmen können Handyrekorder genutzt werden, die in vielen Kommunen bei den Medienzentren zur Ausleihe verfügbar sind. In der Regel verfügen die Schüler aber über aktuelle Smartphones, die es inzwischen erlauben, radiotaugliche Aufnahmen zu machen.
Viele Medienzentren bieten inzwischen ebenfalls den Verleih zum Beispiel von Tablets im Klassensatz an.
Podcast, Rezension und die Aufnahme
Die Schüler schauen sich in den Redaktionsgruppen Rezensionen aktueller Spiele im Internet an. Dabei sollen sie darauf achten, was die wichtigsten Bestandteile einer Rezension sind. Die Ergebnisse werden anschließend im Plenum vorgestellt. Die Redaktionsgruppen suchen sich Computerspiele aus, die sie in einem Podcast vorstellen wollen. Sie sollen einen Beitrag erstellen, der nicht länger als 3 Minuten ist. Dazu kommt noch ein Interview mit einem Spieler, der dieses Spiel ausprobiert hat. Das ist in diesem Fall jemand aus der Redaktionsgruppe. Bei dem Interview kommen die üblichen W-Fragen zum Einsatz.
Wenn Schüler kein geeignetes Spiel finden, können sie alternativ auch einen Beitrag über ein anderes Thema aus der digitalen Welt produzieren. Denkbar wäre zum Beispiel sich mit der Alterseinstufung bei Computer- und Videospielen zu beschäftigen. Dem Plenum kann als Beispiel für eine solche Umsetzung die Seite www.spielewelten.org präsentiert werden. Hier haben Schüler bereits Podcasts und Interviews produziert. Da bei der Produktion von Radiobeitragen ausführliche Antworten notwendig sind, muss an dieser Stelle der Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Fragen besprochen werden.
Die Lernziele: Die Schüler können die W-Fragen einsetzen und daraus journalistische Beiträge entwickeln. Sie bekommen ein Gefühl für die richtige Fragetechnik.
Die Aufnahmetechniken
Bevor es an die Produktion der Rezensionen geht, werden die Schüler auf die richtige Aufnahmetechnik vorbereitet. Das Vorgehen ist abhängig von den technischen Möglichkeiten. Im Idealfall stehen der Klasse mobile Aufnahmegeräte zur Verfügung. Die Datenübertragung auf den Rechner erfolgt meist über ein beigelegtes USB-Kabel oder eine SD-Karte.
Das Smartphone ist im Alltag der Schüler inzwischen ein ständiger Begleiter. Allerdings kann das mobile Gerät weitaus mehr, als Telefongespräche zu führen und Nachrichten abzurufen. Die Schüler überprüfen ihre Smartphones, ob schon Apps für die Ton- und Bildaufnahme vorhanden sind. Im Plenum wird über die bisherigen Erfahrungen bei Aufnahmen mit dem Smartphone gesprochen. Zur Information kann auch ein Youtube-Video mit einigen Tipps gezeigt werden. Wichtig sind bei der Aufnahme eine ruhige Umgebung und ein Raum, der nicht sehr stark hallt. Außerdem muss das Smartphone bei den Aufnahmen ruhig gehalten werden – ein kleines Stativ und ein Stativadapter für das Smartphone (je ca. 15-18 Euro) kann hier weiterhelfen.
Die Lernziele: Die Schüler lernen sicher mit der Aufnahmetechnik umzugehen. Sie werden selbstsicher beim Durchführen eines Interviews. Mit dem Smartphone wird unter realen Bedingungen ein journalistischer Beitrag produziert.
Die Bearbeitung mit Audacity
Es müssen Computer mit Internetzugang, Audioanschlüssen und Kopfhörern vorhanden sein. Für die Bearbeitung wird das frei verfügbare Programm Audacity verwendet. Die aufgenommenen Beiträge werden auf die Rechner übertragen. Wichtig ist die regelmäßige Sicherung der Daten – das gilt für Ursprungsdateien und für die bearbeiteten Aufnahmen.
Die Lernziele: Die Schüler erlernen den Umgang mit der Schnittsoftware und können hier einfache Aufgaben lösen.
Präsentation der Ergebnisse in der digitalen Welt
Es ist wichtig, dass die Ergebnisse in Form von Podcast und Videoclips nicht im Klassenraum verbleiben. Die Veröffentlichung über verschiedene Wege digitaler Kommunikation erhöht die Motivation der Schüler und trägt zu einem öffentlichen Diskus bei. Die Podcasts liegen in als mp3-Datei vor und können einfach übertragen werden.
Bei der Plattform Soundcloud können mit einem kostenlosen Basiszugang bis zu drei Stunden Audiomaterial hochgeladen werden. Die Dateien können mit Bildern, Stichworten und kurzen Texten kombiniert werden. Die Beiträge können von diesem Portal auch auf mobile Geräte heruntergeladen werden.
Meinungen von Schulleitungen, Lehrern und Schülern
Nach den bisherigen Erfahrungen sind die Schüler sehr interessiert an der vorgestellten Methodik. Allerdings sollten die Lerneinheiten zeitlich beschränkt in Form von einzelnen Modulen eingebracht werden. Bei den Lehrern ist die Bereitschaft bisher nicht so stark ausgeprägt und es gibt eine Distanz zu dem Medium Computerspiele. Das gilt überraschenderweise auch für viele der jüngeren Lehrer. Der Einsatz von digitalen Medien, Computerspielen und sozialen Medien spielt in der Ausbildung der Lehrer bislang keine große Rolle.
Volker Franken, Schulleiter der evangelischen Gesamtschule in Gelsenkirchen:
„Es gibt mit Sicherheit Computerspiele, die man im Unterricht einsetzen kann. In der jüngeren Generation der Lehrer gibt es viele Kollegen, die viel stärker mit diesem Medium aufgewachsen sind, als das bei mir der Fall war. […] Ich kenne mich da nicht gut genug aus, aber ich weiß, dass es Spiele zum Thema Mittelalter oder zur Französischen Revolution gibt. Aktuell fällt mir ein Spiel zum Thema Martin Luther ein, dass wäre anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Reformation ein gutes Thema“.
Klaus Bludau, Lehrer für Latein, Englisch und Religion:
„Man kann nicht generell sagen, ob Computerspiele sinnvoll im Unterricht einsetzbar sind. Es kommt immer darauf an, was ich für einen Unterricht mache und was der Sinn des Computerspiels ist. Ich habe ein paar kleinere Lernspiele im sechsten Schuljahr eingesetzt, aber da ging es mehr um die Beantwortung von Fragen. Es wird in Zukunft mehr Spiele für den Unterricht geben. Viele Unterrichtsverlage werden sich auch in diese Richtung öffnen. Allerdings bleibt der Lehrer der entscheidende Faktor und wird nicht durch Spiele ersetzt.“
Lilith, 15 Jahre, Klasse 10, Fach Geschichte:
„Das hat den Stoff etwas nähergebracht und man konnte viel ausprobieren. Außerdem war es im Spiel möglich verschiedene Texte zu lesen. Es war interessanter als eine normale Schulstunde. Das visuelle Lernen macht es mir einfacher, dass ich mir die Sachen auch gut merken kann“.
Lucy 15 Jahre, Klasse 10, Fach Geschichte:
„Durch die Wahl verschiedener Charaktere haben sich verschiedene Sichtweisen erschlossen. Allerdings konnte man die historischen Informationen einfach wegklicken und musste sie nicht lesen“.
Marcel 16 Jahre, Klasse 10, Fach Geschichte:
„Das Spiel hat mir gut gefallen, aber ich bin erst von einer dreidimensionalen Darstellung ausgegangen. Gerade im Fach Geschichte bietet sich der Einsatz an, da es viele Spiele gibt, die sich darauf beziehen. Allerdings muss man recherchieren, ob die Handlung sich auch auf die realen Ereignisse bezieht“.
Tobias 16 Jahre, Klasse 10, Fach Geschichte:
„Die grafische Aufmachung verharmlost das historische Geschehen ein wenig und ist dem Thema nicht angemessen. Wir haben ja nicht nur gespielt, sondern auch die Lehrer für einen Podcast interviewt, was sie vom Einsatz von Computerspielen halten“.
Max 15 Jahre, Klasse 10, Fach Geschichte:
„Ich gehe mal davon aus, das bei historischen Spielen viele Dinge frei erfunden sind und nichts mit den Fakten zu tun haben“.
Weitere Spiele für den Unterricht
Es können auch aktuelle Spiele im Unterricht behandelt werden. In der Regel beschränkt die technische Ausstattung die Auswahl, denn aktuelle Spiele haben oft hohe Anforderungen an die Leistung von Prozessor und Grafikkarte.
Assassin‘s Creed Unity
Assassin‘s Creed Unity ist im November 2014 erschienen. Die Handlung spielt im Paris des 18. Jahrhunderts zur Zeit der französischen Revolution. Der Spieler folgt dem Hauptcharakter Arno Victor Dorian, dessen Familie unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Er wird fälschlicherweise für einen Mord in eingesperrt und kann zusammen mit einem Assassinen während des Sturms auf die Bastille entkommen. Nach der Flucht schließt er sich den Assassinen an und versucht die Hintergründe der Französischen Revolution aufzudecken. Im Verlauf des Spiels tauchen historische Persönlichkeiten wie Maximilien de Robespierre, den Marquis de Sade und Napoleon auf.
Offizielle Webseite
Fächer: Sozialwissenschaften – Geschichte
Assasin‘s Creed Syndicate
Assasin‘s Creed Syndicate spielt im London des viktorianischen Zeitalters vor dem Hintergrund der industriellen Revolution. Der Spieler folgt den beiden Zwillingen Jacob und Evie Frye, welche die Bruderschaft der Assassinen in London anführen. Wie auch in den Vorgängern spielt der historische Bezug eine große Rolle. Die industrielle Revolution hat ein Jahrhundert unglaublicher Umwälzungen eingeleitet, die das Leben der Menschen einschneidend verändert hat und deren Auswirkungen bis heute spürbar sind.
Offizielle Webseite
Spielbar-Beurteilung
Fächer: Sozialwissenschaften – Geschichte
Minecraft
Minecraft ist ein Open-World-Spiel, das von einem unabhängigen Entwickler programmiert wurde. Bis Juni 2016 wurden zusammengerechnet über 106 Millionen Minecraft-Kopien verkauft, damit ist es eines der meistverkauften Videospiele weltweit. Das Spielprinzip ist dabei relativ simpel und der Spieler kann eine Welt aus würfelförmigen Blöcken in einer 3D-Umgebung bereisen und verändern. Diese Welt lässt sich erkunden, es können Ressourcen gesammelt, gegen Monster gekämpft und die Blöcke der Spielwelt abgebaut und neugesetzt oder zu anderen Gegenständen verarbeitet werden.
Offizielle Webseite
Spielbar-Beurteilung
Fächer: Sozialwissenschaften – EGW (Erdkunde-Wirtschaftskunde-Gemeinschaftskunde) – Deutsch – Kunst – Informatik
Fazit und Ausblick
Die Beschäftigung mit modernen Medien spielt in der Ausbildung der Lehrer auch heute noch keine große Rolle. So findet sich im Kerncurriculum des Landes NRW nur der spärliche Hinweis, dass Lehrer „Medien begründet einsetzen“ sollen.
Nach Befragungen der Schüler ist das Interesse sehr groß, sich auch im Unterricht mit Computerspielen zu beschäftigen. Bevorzugt werden dabei modulare Lerneinheiten mit einer begrenzten Stundenzahl. Die Reflexion der Inhalte über die Produktion von Podcasts ist sehr gut angenommen worden. Viele Schüler können sich diese Art der Präsentation und Aufbereitung auch für andere Inhalte vorstellen. Der Einsatz von Computerspielen muss aber technisch handhabbar sein und in überschaubare Module aufgeteilt werden. Für die Umsetzung ist es von Bedeutung, dass es bei der Einbindung in den Unterricht eine klare Vorgabe gibt. Um die Handhabe zu erleichtern, ist es möglich, sich auf ein einzelnes Spiel festzulegen. Außerdem muss es einen schlüssigen Lehrplan geben, wie die Beschäftigung mit dem jeweiligen Spiel im Unterricht aussieht.
Literaturliste
Agena, Meint: Mit Podcasts Geschichte erhören. In: Beispiele Praxis „14/18 Mitten in Europa“ Hrsg. vom Volksbund Deutsche Kindergräberfürsorge e. V. 2014.
Appel, Daniel; Huberts, Christian; Raupach, Tim; Standke, Sebastian: Welt-Kriegs-Shooter – Computerspiele als realistische Erinnerungsmedien? Boizenburg 2012.
Brüning, Ludger; Saum, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch Visualisieren. Grafisches Strukturieren mit Strategien des Kooperativen Lernens. Neue Deutsche Schule, 2. Auflage. Essen 2009.
Fenn, Monika: Kriegsspiel mit Herz? Computer Games zum Ersten Weltkrieg.
http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-26/kriegsspiel-mit-herz-computer-games-zum-ersten-weltkrieg/ (07.09.2015)
Fritz, Jürgen: Wie Computerspieler ins Spiel kommen.
http://lfmpublikationen.lfm-nrw.de/index.php?view=product_detail&product_id=254
Berlin 2011 (07.09.2015)
Hattie, John: Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von "Visible Learning for Teachers". Hohengehren / Baltmannsweiler 2014.
Johnson, Steve: Spielraum – Faszination moderner Spielkultur. Riverhead Books 2005.
Kübler, Hans-Dieter: Leben mit der Hydra. Die Medienwelten von Kindern und Jugendlichen. http://www.bpb.de/gesellschaft/medien/computerspiele/63670/medienalltag?p=all (07.09.2015)
Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen: Best-Practice-Kompass - Computerspiele im Unterricht – Lehrerhandbuch. Düsseldorf 2010.
http://lfmpublikationen.lfm-nrw.de/index.php?view=product_detail&product_id=184
Löffler, Nicolas: Computerspiele zum Thema Flucht und Asyl.
https://www.medienpaedagogik-praxis.de/2016/09/13/computerspiele-zum-thema-flucht-und-asyl/ (13.09.2016)
Meyer, Hilbert: Was ist guter Unterricht? 3. Auflage. Berlin 2005.
Nagl, Manfred: Game-Assisted E-Learning in der Umweltbildung. Boizenburg 2011.
Nolden, Nico: Zersiebt, verlobt, verheiratet. Mit Valiant Hearts entstand ein spielbares Stück Erinnerungskultur mit erfrischenden Blickwinkeln auf den Ersten Weltkrieg. http://www.niconolden.de/keimling/?p=2176 (07.09.2015)
Seufert, Jonas: Zu arm zum Spielen. http://www.zeit.de/digital/games/2017-05/games-armut-hartz-iv-kulturgut/komplettansicht (30.05.2017)
Schröder, Lutz: Computerspiele als neuer Zugang zu Geschichtsthemen? Das Beispiel Empire: Total War.
http://www.spielbar.de/neu/2012/06/computerspiele-als-ein-neuer-zugang-zu-geschichtsthemen/ (28.08.2015)
Prof. Dr. Schwarz, Angela (Historisches Seminar, Philosophische Fakultät, Universität Siegen): Geschichte in Computerspielen: Unterhaltungsmedium und Bildung?
http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/10883 (28.11.2012)
valianthearts.ubi.com
Die didaktischen Anmerkungen sind in Zusammenarbeit mit den Pädagogen Tim Kreitz und Sebastian Dick entstanden, die das Projekt Spielewelten als Fachlehrer betreut haben.

Siehe auch
Valiant Hearts: The Great War
In Valiant Hearts steuern wir vier Akteure durch Schützengräben, Kasernen und Höhlen – ganz ohne Fadenkreuz oder Lebensbalken. Nicht reißerisch, sondern einfühlsam erzählt das Adventure von den Menschen des Ersten Weltkriegs. Doch verbirgt sich dahinter auch ein gutes Spiel?
Erster Weltkrieg virtuell – historisches Lernen im Computerspiel?
Wie können Computerspiele mit historischen Inhalten im pädagogischen Kontext nutzbar gemacht werden? Patrick Lenz nähert sich dem Thema und stellt unterrichtsdidaktische Überlegungen an zum Einsatz von Computerspielen im Geschichtsunterricht am Beispiel von Valiant Hearts: The Great War.
Geschichtserfahrungen und Erinnerungskultur bei digitalen Spielen
Wie inszenieren digitale Spiele Geschichte? Historiker Nico Nolden legt dar, wie sich geschichtliche Vorstellungen auch in fiktiven Spielen wiederspiegeln und deckt auf, was abseits historischer Fakten in digitalen Spielen verborgen liegt.