Spielbeurteilung

Valiant Hearts: The Great War

03.11.2014
In Valiant Hearts steuern wir vier Akteure durch Schützengräben, Kasernen und Höhlen – ganz ohne Fadenkreuz oder Lebensbalken. Nicht reißerisch, sondern einfühlsam macht das Rätsel-Abenteuer persönliche Schicksale im Ersten Weltkrieg erlebbar.

Granaten, Maschinengewehre, Panzer: das kennen wir im Überfluss aus den Actiontiteln für den Massenmarkt. All das gibt es auch in Valiant Hearts. Der Unterschied: Valiant Hearts will den Krieg nicht zur Schießbude machen, sondern ihn zeigen wie er ist: grausam, wahnsinnig, sinnlos.

Ohne Waffe auf dem Schlachtfeld laufen wir ums Überleben.
In Valiant Hearts gibt es keinen Lebensbalken, kein Gut und Böse, kein Fadenkreuz. Stattdessen bewegen wir uns wie Versprengte in einem Krieg, den wir nicht wollten, in dem es keine Gewinner gibt, und in dem wir niemanden totschießen sollen. Weil wir hier irgendwie reingeraten sind, unsere teils französisch-, teils deutschstämmige Familie quer über die Fronten versprengt ist, wollen wir nur noch eins: dass alle heil wieder nach Hause kommen.

Meist lösen wir schnell durchschaubare Rätsel.
Episodenartig steuern wir dazu je einen der vier Hauptakteure durch den Wahnsinn des Krieges. In den Schützengräben, Feldlazaretten, Kasernen und unterirdischen Höhlensystemen versuchen wir, uns den Weg frei zu knobeln. Meistens steht uns der liebenswürdige Walt zur Seite, ein Sanitäterhund, der für viele der Rätsel der Schlüssel ist. Außer den Rätseln gibt es noch kurze Zwischensequenzen, wo wir unter Zeitdruck die vom Spiel angezeigten Tastenabfolgen drücken müssen, und Bosskämpfe, die an Jump ’n’ Runs wie Sonic the Hedgehog erinnern.

Quick Time Events und Action-Sequenzen lockern die Handlung auf.
Während andere Spiele auf hochmoderne 3D-Grafikengines mit Millionen von Polygonen setzen, inszeniert Valiant Hearts seine mal dramatische, mal komische Handlung im erwachsenen Comic-Stil von Graphic Novels. Der Grund mag das knappe Produktions-Budget gewesen sein, doch die Rechnung geht auf: Zusammen mit der überzeugenden Tongestaltung schafft es das Spiel, eine dichte Atmosphäre zu erzeugen und zum Weiterspielen zu motivieren.
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Pädagogische Beurteilung:

Valiant Hearts erzählt eine dramatische Handlung aus vielen Blickwinkeln. Zur Abwechslung tragen die überall im Spiel versteckten Sammlerstücke bei, die mit kleinen Erklärtexten daherkommen. So erfahren wir interessante, ernste oder auch nur kuriose Details.

Das Spiel schafft es, ohne übertriebene Heroisierungen das Schicksal der einfachen Soldaten und Zivilisten erlebbar zu machen. Weil das gezeigte Leid auf beiden Seiten der Westfront mit der Kriegstreiberei der Generäle kontrastiert, erscheint der Krieg als Perversion der Eliten. Der Fokus liegt aber klar auf der französischen Sicht – das Spiel entstand bei Ubisoft im französischen Montpellier.

Nur wenige Spiele gehen so verantwortungsvoll mit thematisierter Gewalt um: Gewalt ist hier nur das letzte Mittel, wird nie verherrlicht und stattdessen konsequent in geschichtliche Zusammenhänge eingebettet. Valiant Hearts ist für Jugendliche geeignet, ohne Begleitung aber erst mit einem gewissen Maß an Allgemeinwissen über den Ersten Weltkrieg verständlich.

Es bietet sich an, das Spiel als Gesprächsanlass über das Thema Krieg zu nutzen. Durch seine einfühlsame Darstellung und seinen Fokus auf Menschlichkeit eröffnet es Raum für Reflexion und Diskussion. Spielerinnen und Spieler werden dazu ermutigt, über die Konflikte und Tragödien nachzudenken, die zu einer solchen Katastrophe geführt haben, und die Auswirkungen auf das Leben der Menschen zu verstehen.

Durch die Integration von historischen Fakten und Ereignissen in das Gameplay können Spielerinnen und Spieler nicht nur die persönlichen Geschichten der Charaktere erleben, sondern auch einen tieferen Einblick in die historischen Ereignisse gewinnen. Dies macht Valiant Hearts zu einem möglichen Werkzeug für pädagogische Zwecke, um Jugendliche für die Geschichte und die Folgen von Kriegen zu sensibilisieren.

In einer Zeit, in der Krieg oft auf eine abstrakte Weise dargestellt wird, erinnert Valiant Hearts an die menschlichen Kosten und Tragödien, die damit verbunden sind. Es erinnert daran, dass hinter jeder Schlacht und jedem Krieg eine Vielzahl von individuellen Schicksalen und Geschichten stehen, die es wert sind, gehört und verstanden zu werden.

Fazit:

Valiant Hearts ist eine ergreifende Tragikomödie ohne Kitsch, die mit den Mitteln eines einfach gestrickten Computerspiels Schlaglichter wirft auf einzelne Episoden und Schicksale im Ersten Weltkrieg.
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Siehe auch

Patrick Lenz (2015):

Erster Weltkrieg virtuell – historisches Lernen im Computerspiel?

Wie können Computerspiele mit historischen Inhalten im pädagogischen Kontext nutzbar gemacht werden? Patrick Lenz nähert sich dem Thema und stellt unterrichtsdidaktische Überlegungen an zum Einsatz von Computerspielen im Geschichtsunterricht am Beispiel von Valiant Hearts: The Great War.

Der Erste Weltkrieg in Computerspielen

2014 jährt sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal. Grund für uns, einen Blick auf die Spiele zu werfen, die das Thema aufgreifen. Wer nur Ego-Shooter und Kriegsgewalt erwartet, wird enttäuscht. Denn in den meisten Spielen geht’s ums Fliegen. Und Frieden ist auch nie weit entfernt.

Nico Nolden (2016):

Geschichtserfahrungen und Erinnerungskultur bei digitalen Spielen

Wie inszenieren digitale Spiele Geschichte? Historiker Nico Nolden legt dar, wie sich geschichtliche Vorstellungen auch in fiktiven Spielen wiederspiegeln und deckt auf, was abseits historischer Fakten in digitalen Spielen verborgen liegt.

Bildnachweise

[1]Valiant Hearts[2]Valiant Hearts[3]Valiant Hearts[4]„Fokker DR 1 ILA 2004“ von Noop1958 - Eigenes Werk

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