Spielbeurteilung

Heavy Rain

18.05.2012
Wie weit würdest du für das Leben eines geliebten Menschen gehen? Heavy Rain stellt die Spielenden vor moralische und ethische Grundsatzfragen. Emotional bewegendes Spiel mit unterschiedlichen Perspektiven und Ausgängen. Anspruchsvolle Unterhaltung für Erwachsene.
Der „Origami-Mörder“ entführt Jungen zwischen 10 und 13 Jahren. Vier bis fünf Tage nach ihrem Verschwinden werden sie tot aufgefunden - ertrunken. Einzige Anhaltspunkte sind eine Origami-Figur und eine Orchidee, die der Mörder an jedem Tatort hinterlässt. Sein jüngstes Opfer ist Sean, der Sohn von Ethan Mars. Vor einigen Jahren verlor dieser bereits einen Sohn, an dessen Tod er sich die Schuld gibt. Mit dem Verschwinden von Sean steigt die Last auf Ethans Schultern weiter. Da nimmt der Origami-Mörder Kontakt zu Ethan auf und stellt ihn nacheinander vor fünf makabere Aufgaben. Für jede gelöste Aufgabe erhält er einen Hinweis auf den Aufenthaltsort seines Sohnes.


Heavy Rain ist eine Art interaktiver Film, dessen Verlauf die Spielenden selbst bestimmen. Sie übernehmen abwechselnd die Rolle von vier Personen, jede mit einer anderen Motivation, die Mordserie aufzuklären: Als Ethan Mars lassen sie sich auf das Spiel des Origami-Mörder ein und versuchen so, Sean noch rechtzeitig zu finden. In der Rolle der Madison Page lernen die Spielenden Ethan kennen, und stehen ihm letztendlich bei der Suche nach seinem Sohn zur Seite. Als FBI-Profiler Norman Jayden unterstützen sie die örtliche Polizei bei dem Fall und ermittelt mithilfe neuester Technik. Parallel untersuchen die Spielenden den Fall als Privatdetektiv Scott Shelby, der im Auftrag der Familien früherer Opfer handelt.


Jede Entscheidung der Spielenden hat Folgen, sei es die Reaktion bei dem Überfall eines kleinen Drogeriemarktes oder bei einem Verhör. Auch können die Hauptcharaktere sterben. Die Spielenden müssen bedacht reagieren, in vielen Situationen bleibt allerdings nicht viel Zeit dafür.


Pädagogische Beurteilung:

„Manchmal müssen Dinge einfach passieren, auch wenn man es nicht möchte.“ Das Zitat aus Heavy Rain beschreibt das Spiel sehr gut. Es geht nicht vordergründig um gewinnen oder verlieren, es geht darum die Spielenden emotional zu bewegen, sie an bestimmte Grenzen zu führen. Im Gegensatz zu anderen Computerspielen gibt es in Heavy Rain keine strikte Trennung in ‚Gut’ und ‚Böse’, ‚Mensch’ und ‚Monster’. Das stellt die Spielenden damit immer wieder vor ein moralisch-ethisches Dilemma. Kann man den Tod eines anderen, unbekannten Menschen verantworten, um das Leben eines geliebten Menschen zu retten? Jede Entscheidung, jede Tat aber auch jede unterlassene Tat hat weit reichende Folgen, für den Charakter, den man spielt, aber auch für den Verlauf der Geschichte. Die Spielenden können nichts rückgängig machen, sondern müssen mit den Folgen ihrer Entscheidung leben, was sie emotional stark in das Spiel involviert.

Die durchaus berechtigte Frage ist: Film oder Spiel? Spieltechnisch erinnert Heavy Rain an ein Point & Click-Adventure, allerdings gibt es weder Objekte zu kombinieren noch Rätsel zu lösen. Die Spielenden bewegen den jeweiligen Charakter durch die jeweiligen Szenen. Interaktion findet insofern statt, dass aus vorgegebenen Handlungsalternativen gewählt wird. In Kämpfen zählt Reaktionsvermögen, wenn man durch Betätigen verschiedener Knöpfe gegnerischen Angriffen ausweicht oder selber zuschlägt. Es gibt aber auch Stellen, an denen der Grund dafür, dass man einen Knopf drücken muss, weniger nachvollziehbar ist. Zum Beispiel, wenn sich unser Hauptcharakter die Zähne putzt oder sich mit einem Handtuch abtrocknet. Gleichzeitig können solche scheinbar unwichtigen Alltagssituationen die Identifikation der Spielenden mit dem entsprechenden Charakter verstärken.

Neben den spielerischen, interaktiven Elementen sind zahlreiche filmische Merkmale auszumachen: So wird nach und nach ein Spannungsbogen aufgebaut. Unterstützt wird dieser durch die Parallelmontage der Geschichten der vier Hauptcharaktere, deren Rolle wir abwechselnd übernehmen. Die Spielenden erleben die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven, was ihr besondere Tiefe verleiht. Emotionen werden stark über die Musik transportiert. Und auch die Bildsprache ist ungewöhnlich für ein Spiel. Es dominieren halbnahe Einstellungen, bedrohlich wirkende Situationen werden auch einmal durch eine extreme Froschperspektive unterstrichen. Auffällig ist auch die Symbolhaftigkeit der Bilder. Dominieren zu Beginn noch helle Farben und gleißendes Licht wechselt es schlagartig nach dem ersten Todesfall. Der farbliche Kontrast wird zum eintönigen Grau, es regnet in Strömen, symbolisch für die vielen vergossenen Tränen.

Fazit:

Zusammengefasst erfordert Heavy Rain ein hohes Maß an Reflektionsfähigkeit. Das Spiel ist damit keinesfalls für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren geeignet. Unabhängig vom Alter sollten sich außerdem nur emotional gefestigte Menschen mit dem Spiel beschäftigen. Mit der Kombination aus Computerspiel und Film ist Heavy Rain aber auch ein Pionierprojekt, ein Meilenstein in der Entwicklung der Computerspiele. Gamer, die die spielerische Herausforderung suchen, werden hier zwar nicht glücklich. Wer jedoch offen ist für eine neue emotionale Spielerfahrung, für den ist Heavy Rain genau das richtige.
Anne Sauer
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Bildnachweise

[1]Spielbar.de[2]Jürgen Sleegers

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