In-Game-Photographie

Motivsuche im Computerspiel

16.02.2012
Während sich die einen beim Spielen auf den perfekten Sprung oder den präzisen Schuss konzentrieren schauen die In-Game-Photographen mit ganz anderen Augen auf die virtuelle Welt. Doch kann man auch bei Screenshots von Photographie reden?

Von einem der auszog, die (virtuelle) Welt zu photographieren...

Bild: Wüstenlandschaft in Star Wars: The Old Republic, Photograph: Josh Taylor
Er streift durch einsame Wälder und Wüsten, nimmt im Cockpit eines Kriegsfliegers Platz und schreckt selbst vor bedrohlichen Weltraumschlachten nicht zurück – immer auf der Suche nach dem perfekten Motiv. Josh Taylor ist ein Photograph. Aber kein gewöhnlicher. Denn er begibt sich für seine Bilder unter anderem in die virtuelle Welt der Computerspiele. Seine Spielauswahl trifft er dabei ganz unabhängig von Genre und Plattform. Ob das Action-Adventure Portal 2 oder das MMORPG Star Wars: The Old Republic - sie alle waren schon vor seiner „Linse”. Sein Portfolio ist entsprechend umfangreich.

Damit steht er nicht alleine da. Duncan Harris ist ebenfalls Photograph und richtet seine Augen auf die Schönheit virtueller Welten. Zahlreiche Landschaftsbilder, Portraits und Momentaufnahmen hat er bereits in Computerspielen eingefangen und auf seiner Webseite Dead End Thrills veröffentlicht.

Bild: Bild: Mirror’s Edge, Photograph: Duncan Harris, Quelle: Dead End Thrills (Spielebeurteilung von Mirror‘s Edge auf spielbar.de hier)
Hat Harris wieder eine Kollektion von Bildern zu einem Computerspiel erstellt erklärt er ausführlich seine Herangehensweise und nennt aufgetauchte Probleme. Eines wird dabei schnell deutlich: In-Game-Photographie ist mehr als banales Erstellen von Screenshots. Es bedarf einer gewissen Vorbereitung. Das Spiel muss beispielsweise auf Möglichkeiten untersucht werden, die oft eingeschränkte Kameraperspektive aufzuheben und so die Kontrolle darüber voll in die Hände des Photographen zu legen. Mods und andere spezielle Software nutzt Harris dafür. Durch seine umfangreiche Ausführungen motiviert er die Fans seiner Arbeiten, es ihm gleichzutun. Auf Flickr, einer Photo-Community, fordert er zusätzlich Mitstreiterinnen und Mitstreiter auf, Photographien aus Computerspielen mit anderen zu teilen. Besonders herausragende Bilder veröffentlicht er auf seiner Webseite.

Schmaler Grad zwischen Kunst und Bildrechtsverletzung

Duncan Harris bezeichnet seine Momentaufnahmen aus Computerspielen selbst als „Realtime Art“ oder auch „Video Game Tourism Photography“. Und im Prinzip gibt es, abgesehen von der technischen Ausführung, viele Parallelen zwischen gewöhnlicher und der virtuellen Photographie. Dem Photographen werden in beiden Fällen ein Blick fürs Detail und Ästhetik abverlangt. Der Bildausschnitt, der Fokus, die Lichtverhältnisse und mögliche Effekte entscheiden ebenfalls in beiden Fällen über die Qualität und Wirkung des finalen Bildes. Und das Ergebnis der In-Game-Photographie, das steht bei den bereits gezeigten Beispielen sicherlich außer Frage, kann es problemlos mit der Photographie der physischen Welt aufnehmen.

Rechtlich gesehen bewegt man sich hier in einem Rahmen, der mit den Machinimas, von Fans erstellten Filmen mithilfe von Computerspielen, vergleichbar ist. Sowohl bei Machinimas als auch bei der In-Game-Photographie greifen die Kreativen auf Bildmaterial zurück, dessen Urheberrecht komplett bei den Entwicklern der Computerspiele liegt. In beiden Fällen wird die Verwendung der Copyright-geschützten Bildmaterials unter dem künstlerischen Aspekt jedoch von den Herstellern geduldet. Erfolgreiche Photographen wie Duncan Harris beispielsweise werden hier und da, das geht zumindest aus seiner Webseite hervor, sogar von Spieleentwickler selbst gebeten, deren Spiele zu photographieren. Es ist ein Beweis dafür, wie ernst die Kunst der In-Game-Photographen genommen wird.

Im Internet finden sich einige Beispiele beeindruckender In-Game-Photographien, die belegen, dass Computerspiele mittlerweile aufgrund ihrer graphischen Komplexität ebenso faszinierende Bilder beinhalten wie die physikalische Welt. Direkte Vergleiche mit der Realität führte unter anderem Künstler Kent Sheely in einem Experiment durch. Er nahm sich die Computerspielmodifikation Garry’s Mod und erschuf darin identische Abbilder von selbst aufgenommenen realen Photographien. Im Gegensatz zur Realität können Künstler im Computerspiel jedoch sehr viel mehr Einfluss auf ihr Motiv nehmen. Das macht das Erstellen von Photographien nicht automatisch leichter, eröffnet aber ganz neue Möglichkeiten. Es ist daher zu erwarten, dass die In-Game-Photographie uns auch in Zukunft noch einige Male zum Staunen bringen wird.

Weblinks

Fotostream von Josh Taylor auf Flickr

Fotostream von Duncan Harris auf Flickr

Webseite von Kent Sheely
Anne Sauer
Dieser Artikel wurde verfasst von:

Bildnachweise

4 Kommentare

Videospiel-Fotografie « BenHardly Photography schreibt:

[...] einem Freund wurde ich auf einen sehr interessanten Artikel auf spielbar.de aufmerksam gemacht. In diesem wird die Arbeit von Fotografen beschrieben (hier Josh Taylor, Duncan Harris und Kent [...]

22.02.2012 um 16:43
BenHardly schreibt:

Sehr, sehr spannend. Gerade, da ich selber fotografiere und mir auch schon Gedanken um diese besondere Form der Fotografie Gedanken gemacht habe, ist es umso spannender zu lesen, dass es bereits erfolgreiche Künstler auf diesem Gebiet gibt.

Dennoch lies ich es mir nicht nehmen, auch kurz ein paar Gedanken dazu niederzuschreiben:
http://benhardly.de/videospiel-fotografie/

22.02.2012 um 16:45
Tobias Miller (Redaktion spielbar.de) schreibt:

Danke, wir freuen uns über dein Interesse, BenHardly! Und natürlich auch über jede Ergänzung!

22.02.2012 um 16:50
Stefan G. schreibt:

Ich spiele selber eigentlich nur Shooter. Vor ein paar Tagen habe ich bei Call of Duty MW3 den Theatermodus für mich entdeckt, in dem man sämtliche bereits gespielte Spiele aus jeder Spieler Perspektive noch einmal anschauen kann. Man kann jeder zeit das Video anhalten und dann die perfekte Perspektive der Kamera im nach hinein einrichten und einen Screenshot machen. Anschließend kann man das Bild nach belieben bearbeiten. Schöne Möglichkeit kreativ zu werden.

http://dark-clan.org/include/images/usergallery/img_225.jpg

25.02.2012 um 16:20


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