Spielbeurteilung

Grand Theft Auto IV

02.07.2008
"Grand Theft Auto IV" ist ein brillant inszeniertes jedoch sehr gewalthaltiges Actionspiel mit eine ironischem Blick auf die amerikanische Gesellschaft. Beste Unterhaltung für Erwachsene, aber nichts für die Hände von Kindern und Jugendlichen.
Niko Bellic hatte sich viel erhofft von Amerika. Von den Versprechen seines Cousins Roman angelockt, war er aus Osteuropa angereist, um den amerikanischen Traum zu leben. Nachdem er seine alte Heimat verlassen musste, weil er sich mit den falschen Leuten angelegt hatte, sollte dies nun ein schöner Neuanfang werden.

Der Hauptcharakter Niko Bellic kommt nach Liberty City, um dort sein Glück im kleinkriminellen Milieu zu finden.

Doch kaum angekommen, bemerkt Niko schnell, dass Roman ihn von vorn bis hinten belogen hat: Statt versprochener schneller Autos und schöner Frauen ist er gerade einmal im Besitz eines schäbigen spartanisch eingerichteten Appartements und eines kleinen Taxiunternehmens. Und als sich dann noch herausstellt, dass Roman sich bei dem zwielichtigen Vlad, einem skrupellosen Kleingangster, hoch verschuldet hat, wird Niko klar, dass hier auf legalem Wege nicht weiterzukommen ist. Doch er hat in Europa ein paar Dinge gelernt, die ihn und seinen Cousin in Amerika am Leben halten und ihnen vielleicht auch ein wenig Geld einbringen könnten...

Liberty City erinnert an die reale Stadt New York City und kann frei erkundet werden.

Der Spieler steuert die Figur des Niko Bellic in diesem Action-Adventure aus der Third-Person-Perspektive. Niko hat sowohl die Möglichkeit sich zu Fuß als auch mit diversen Fortbewegungsmitteln in seiner neuen Heimat fortzubewegen. Dabei kann der Spieler der Geschichte folgen oder sich quasi frei in der Stadt bewegen und seinem Erkundungstrieb freien Lauf lassen.

Ein Hauptbestandteil der Geschichte sind Auseinandersetzungen mit anderen Kriminellen, die wie in der GTA-Serie üblich mit verschiedenen Waffen ausgetragen werden. Diese Waffen können in der Stadt gefunden werden, im Waffengeschäft gekauft oder besiegten Gegnern abgenommen werden.
Spieleratgeber NRW
Dieses Spiel wurde getestet von:

Pädagogische Beurteilung:

3,6 Millionen Mal hat sich „Grand Theft Auto 4“ am ersten Tag verkauft und damit neue Maßstäbe im Bereich der Unterhaltungsmedien gesetzt. Doch was macht dieses Spiel zu etwas so besonderem?
„Grand Theft Auto 4“ erweckt schon nach einigen Minuten Spielzeit den Eindruck, als hätten sich die Regisseure Martin Scorsese und Quentin Tarantino zusammengetan, um das Script zu diesem Spiel zu schreiben: Es liegt irgendwo zwischen knallharter Gangsterballade und zu Grafik gewordenem Wahnsinn.

In seinem Bestreben, seinem Cousin aus der Patsche zu helfen und nebenbei auch für sich selbst ein etwas besseres Leben zu erreichen, nimmt Niko nach und nach Jobs von verschiedenen zwielichtigen Gestalten an. Diese Jobs sind selten legal; meist handelt es sich um Schutzgelderpressungen, Diebstahl, Raub oder gar Mord. Aber sie werden gut bezahlt, und Niko Bellic ist nicht besonders zimperlich. In einer Filmszene sagt er sogar selbst, dass er sein Gewissen bereits vor langer Zeit im Krieg verloren hat. Apropos Filmszenen: „Grand Theft Auto 4“ ist voll davon. Vor jeder neuen Mission gibt es eine ein- bis zweiminütige Einführung, in der die Handlung vorangetrieben wird und neue Personen vorgestellt werden. In diesen Momenten gleicht das Spiel tatsächlich eher einem Film, auch die Komplexität der Handlung hält diesem Vergleich stand. Die Charaktere werden in den Zwischenszenen weiterentwickelt und bekommen Kontur. Wer sie einfach wegklickt, nimmt sich viel von der Atmosphäre, die die Hintergrundgeschichte GTA 4 verleiht.

Im Spiel selbst ist dem Spieler größtenteils freigestellt, was er wann wie tun möchte; „Grand Theft Auto 4“ spielt in einer amerikanischen Großstadt namens „Liberty City“, die völlig offensichtlich New York (es gibt sogar eine Freiheitsstatue) nachempfunden und völlig frei zu erkunden ist. So kann man aus dem Haus gehen, sich in ein Auto setzen und erst einmal eine Sightseeing-Tour unternehmen. Oder man nimmt die U-Bahn. Oder ein Taxi. Oder man geht zu Fuß. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Aber woher bekommt man einen fahrbaren Untersatz, wenn man doch gar kein Geld besitzt? Richtig: Man nimmt sich einfach eins. Entweder ein achtlos am Bürgersteig geparktes, das nur kurzgeschlossen werden muss, oder man zerrt einen an einer Ampel stehenden, nichts ahnenden Fahrer aus seinem Wagen und braust mit ihm davon. Hier wird ein Grundprinzip der GTA Serie deutlich: Sie spielt mit den ethischen und moralischen Vorstellungen der Spieler. Niko Bellic ist schon in der Story kein politisch korrekter Held, jedoch ist dem Spieler vollkommen frei gestellt, wie er Niko abseits der Story spielt und ob er sich an die Gesetze von Liberty City hält.

Man kann Liberty City durchaus auch zielgerichtet erkunden. Auf einer stets einblendbaren Karte sind alle interessanten Punkte der Stadt verzeichnet; wenn man also ins Kabarett will oder zum Bowling, genügt ein Blick auf die Karte, und das GPS zeigt einem sicher den Weg. Doch am Ziel angekommen ist noch lange nicht Schluss: Im Kabarett bekommt man tatsächlich eine Vorstellung zu sehen, und beim Bowling muss man ebenfalls selber ran, um die Pins abzuräumen. Solche Minispiele stehen zahlreich auf dem Programm, wenn man mal keine Lust auf die rigide Missionsstruktur des Spiels hat.

Um dann doch mal eine Mission anzugehen, fährt man zu einer der bereits kennen gelernten Kontaktpersonen. Dort angekommen, gibt es eine Filmszene zu sehen, die das Ziel der Mission beschreibt. Anschließend fährt man zum Zielpunkt der Mission, der nun auf der Karte zu sehen ist. Dort angekommen, wird der Auftrag ausgeführt, was häufig mit wilden Schußwechseln einhergeht. Hierzu kann sich Niko einer Vielzahl von Waffen, von Pistolen über Sturmgewehre bis hin zu Raketenwerfern, bedienen. Auf Knopfdruck geht er hinter Mauern, Autos oder Fässern in Deckung, um von dort das Feuer auf die Gegner zu eröffnen. Diese Schießereien sind äußerst blutig, getroffene Feinde gehen schreiend zu Boden, winden sich manchmal noch unter Schmerzen und flehen um ihr Leben, wenn sie nicht sofort getötet worden sind.

Doch auch abgesehen von den gewalthaltigen Missionen ist „Grand Theft Auto 4“ ein äußerst brutales Spiel, dass in den Händen von Kindern und Jugendlichen nichts verloren hat. Bei der Raserei in gestohlenen Vehikeln auf den Straßen Liberty Citys überfährt man auch schon einmal den einen oder anderen Fußgänger, um einen herum passieren ebenfalls Verbrechen – so stehlen auch computergesteuerte Personen Autos, überfallen Passanten oder zetteln Schlägereien und Schießereien an. „Grand Theft Auto 4“ simuliert einen lebendigen Großstadtmoloch, in dem sich der Spieler frei bewegen kann, und er hat dann auch alle Möglichkeiten, die ihm diese Freiheit bietet. So ist es durchaus möglich, in einen Waffenladen zu gehen, sich mit den notwendigen Waffen einzudecken und einen Amoklauf in den Straßen der Stadt zu begehen. Genau so gut kann er mit einem gestohlenen Wagen in eine Menschengruppe rasen oder wahllos die Besucher eines Schnellimbiss zusammenschlagen. Das Spiel sanktioniert dieses Verhalten mit der Zunahme des Fahndungslevels. Je schwerer die Straftaten sind, die die Spielfigur begeht, desto mehr Polizei ist dem Spieler auf den Fersen. Dies fängt bei einfachen Streifenwagen an, geht über den Einsatz von Hubschraubern bis hin zum Einsatz des Militärs bei besonders schwerwiegenden Verbrechen.

Und auch die „legalen“ Aktivitäten haben es teilweise in sich: So ist es beispielsweise möglich, Prostituierte anzuwerben oder einen Stripclub zu besuchen, in dem man tatsächlich auch jede Menge nackte Haut zu sehen bekommt; einen privaten Lapdance nicht ausgeschlossen. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch möglich, sich sehr gesittet zu verhalten und beispielsweise eine Sightseeing-Tour zu unternehmen, die ihn zur „Statue of Happiness“ (der Spielvariante der Freiheitsstatue) oder ähnlichen Anspielungen auf das reale New York führt. Die Möglichkeiten sind schier endlos; es bleibt dem Spieler überlassen, wie er damit umgeht. Und genau hier liegt das Problem: Mündige Spieler werden wissen, wie sie mit dieser Thematik umgehen müssen; Kinder und Jugendliche besitzen dieses differentielle Denken jedoch noch nicht und sollten daher unbedingt von diesem Spiel ferngehalten werden.

In diesem Zusammenhang sollte noch erwähnt werden, dass das Spiel mit all seinen Inhalten sehr ironisch umgeht. Es persifliert den „American Way of Life“ in jeder Spielminute. Besonders deutlich wird dies in den Radiosendungen, die man immer, wenn man in einem Auto sitzt, im Radio hören kann. Dort gibt es beispielsweise Werbespots für Wahlkandidaten, die den jeweiligen Wahlgegner auf das Übelste diffamieren und ihm beispielsweise Sexskandale vorwerfen. Terrorwarnungen und allgemeine Panikmache seitens der Politiker sind an der Tagesordnung, aber stets in völlig überzeichneter Art und Weise. Überhaupt werden alle Inhalte gnadenlos überspitzt dargestellt; es wird in der Darstellung immer an die Grenze gegangen – ein weiteres Stilmittel der Ironie. Aber auch diese ist für jüngere Spieler sicherlich selten erkennbar.

Schließlich ist noch die im Spiel verwendete Sprache zu erwähnen. Diese ist mehr als nur derb; in beinahe jedem Satz findet sich ein „fuck“ oder „shit“, und das sind noch die harmloseren Ausdrücke, die in den Dialogen Verwendung finden. Für die Unterwelt-Thematik des Spiels ist diese Sprache durchaus passend; für Kinder und Jugendliche jedoch mit Abstand zu heftig.

Wer keine Lust mehr auf den Einzelspieler-Modus hat, der wird sicherlich mit dem Mehrspieler-Teil des Spieles glücklich. In gut einem Dutzend unterschiedlicher Spielmodi ist es hier möglich, sich mit anderen „Grand Theft Auto 4“-Spielern zu messen oder kooperativ mit ihnen zu agieren und Liberty City unsicher zu machen.

Noch ein paar Worte zur Steuerung und Aufmachung des Spiels. „Grand Theft Auto 4“ wird wie bereits oben erwähnt aus einer Third-Person Ansicht gesteuert; die Kamera befindet sich dabei über und hinter der Spielfigur. Dies kann bei mancher Autofahrt zu Problemen führen, da nicht immer die gesamte Straße zu sehen ist, funktioniert in der Regel jedoch sehr gut. Die Grafik ist überzeugend; die zahlreichen Explosionen wirken fantastisch und auch das Mienenspiel der zahlreichen Charaktere kommt sehr gut rüber. Eine besondere Bemerkung verdient die Musik des Spiels. Wann immer man ein Radio zur Verfügung hat (also in beinahe jedem fahrbaren Untersatz), kann man aus 19 verschiedenen Sendern wählen, in denen nahezu jede vorstellbare Musikrichtung, von Hip Hop über Electro bis hin zu Classic Rock, zu hören ist. Mit über 100 lizenzierten Musiktiteln, die zudem noch immer von einem DJ begleitet werden, kommt hier so schnell keine Langeweile auf.
„Grand Theft Auto 4“ bietet durch diese verschiedenen Versatzstücke eine Mischung von Popkulturelementen, wie es sie bisher so noch nicht gab. Hochwertige Filmsequenzen, Musik der unterschiedlichsten Stilrichtungen, verschiedene Moderichtungen, Fernsehsender, Internet, ein Multifunktionshandy und vieles mehr verbindet dieses Spiel in so geschickter Weise, dass der Spieler so viele Aha-Erlebnisse hat wie in keinem anderen Computerspiel zuvor. Natürlich spielt die Gewalt eine große Rolle im Universum der GTA-Serie, wer das Spiel jedoch ausschließlich auf diesen Punkt reduziert, lässt viele andere Faktoren außer Acht, die zur Faszination und dem Erfolg eines „Grand Theft Auto 4“ ebenso beitragen.

Abschließend ist zu erwähnen, dass man auf eine Synchronisation ins Deutsche verzichtet hat. Der Spieler kann der Story jedoch, dank deutscher Untertitel, sehr gut folgen. Spieler die des Englischen nicht mächtig sind, verpassen aber leider viele Details, wie die Radiomoderatoren oder Gespräche auf der Straße. Gerade Einzelheiten lassen die Spielwelt lebendig erscheinen und enthalten so manchen ironischen Seitenhieb auf das amerikanische System. Diese Provokationen abseits der Gewalt werden leider allzu oft übersehen, wenn über die GTA-Serie diskutiert wird. Liberty City gleicht der realen Welt in machen Dingen mehr als es dem ein oder anderen lieb sein ist. Nicht schwarz oder weiß ist die dominierende Farbe in diesem Spiel, sondern das Grau in all seinen Fassetten dazwischen – eben ganz wie die Realität.

Fazit:

„Grand Theft Auto 4“ ist ein Spiel, dass mit seiner nahezu unbegrenzten Freiheit zu begeistern weiß. Was auch immer man in Liberty City unternehmen will, fast alles ist möglich: Bowling, Billard oder Dart spielen, ein Besuch im Kabarett oder Comedy Club, ein Barbesuch und und und. Selbst ein Trip in das nächste Internetcafe ist möglich. Dort lassen sich hunderte von fiktiven Websites ansurfen, Emails checken oder Kontaktanzeigen aufgeben. Wer also ein Spiel mit hohen Freiheitsgraden und einer grandios simulierten Großstadtwelt sucht, wird hier bestens bedient, aber auch, wer einfach ein spannendes Action-Adventure sucht, wird bei GTA 4 fündig. Wichtig ist nur, dass es sich um einen mündigen und der Differenzierung mächtigen Spieler handelt, denn „Grand Theft Auto 4“ ist auch ein brutales, überaus hartes Spiel, dessen ironische Untertöne manchmal nicht ganz so leicht zu entdecken sind. Also: Erwachsene Spieler erwartet eine fantastische, offene Spielwelt, die immer wieder Überraschungen bereithält und mit einer überaus spannenden Story aufwartet. Jedoch muss am Ende noch einmal klar daraufhin gewiesen werden: GTA 4 gehört auf keinen Fall in die Hände von Kindern und Jugendlichen, dieses Spiel ist reine Erwachsenenunterhaltung.
Spieleratgeber NRW
Dieses Spiel wurde beurteilt von:

Siehe auch

Spielbeurteilung

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Bildnachweise

[1]Spielbar.de[2]Grand Theft Auto IV / Rockstar Games[3]Grand Theft Auto IV / Rockstar Games / Screenshot by spielbar.de[4]Grand Theft Auto: San Andreas / Rockstar Games[5]Rockstar Games

2 Kommentare

Matthias Reitzig (Spieleratgeber NRW) schreibt:

3,6 Millionen Mal hat sich „Grand Theft Auto 4“ am ersten Tag verkauft und damit neue Maßstäbe im Bereich der Unterhaltungsmedien gesetzt. Doch was macht dieses Spiel zu etwas so besonderem?
„Grand Theft Auto 4“ erweckt schon nach einigen Minuten Spielzeit den Eindruck, als hätten sich die Regisseure Martin Scorsese und Quentin Tarantino zusammengetan, um das Script zu diesem Spiel zu schreiben: Es liegt irgendwo zwischen knallharter Gangsterballade und zu Grafik gewordenem Wahnsinn.
In seinem Bestreben, seinem Cousin aus der Patsche zu helfen und nebenbei auch für sich selbst ein etwas besseres Leben zu erreichen, nimmt Niko nach und nach Jobs von verschiedenen zwielichtigen Gestalten an. Diese Jobs sind selten legal; meist handelt es sich um Schutzgelderpressungen, Diebstahl, Raub oder gar Mord. Aber sie werden gut bezahlt, und Niko Bellic ist nicht besonders zimperlich. In einer Filmszene sagt er sogar selbst, dass er sein Gewissen bereits vor langer Zeit im Krieg verloren hat. Apropos Filmszenen: „Grand Theft Auto 4“ ist voll davon. Vor jeder neuen Mission gibt es eine ein- bis zweiminütige Einführung, in der die Handlung vorangetrieben wird und neue Personen vorgestellt werden. In diesen Momenten gleicht das Spiel tatsächlich eher einem Film, auch die Komplexität der Handlung hält diesem Vergleich stand. Die Charaktere werden in den Zwischenszenen weiterentwickelt und bekommen Kontur. Wer sie einfach wegklickt, nimmt sich viel von der Atmosphäre, die die Hintergrundgeschichte GTA 4 verleiht.

Im Spiel selbst ist dem Spieler größtenteils freigestellt, was er wann wie tun möchte; „Grand Theft Auto 4“ spielt in einer amerikanischen Großstadt namens „Liberty City“, die völlig offensichtlich New York (es gibt sogar eine Freiheitsstatue) nachempfunden und völlig frei zu erkunden ist. So kann man aus dem Haus gehen, sich in ein Auto setzen und erst einmal eine Sightseeing-Tour unternehmen. Oder man nimmt die U-Bahn. Oder ein Taxi. Oder man geht zu Fuß. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Aber woher bekommt man einen fahrbaren Untersatz, wenn man doch gar kein Geld besitzt? Richtig: Man nimmt sich einfach eins. Entweder ein achtlos am Bürgersteig geparktes, das nur kurzgeschlossen werden muss, oder man zerrt einen an einer Ampel stehenden, nichts ahnenden Fahrer aus seinem Wagen und braust mit ihm davon. Hier wird ein Grundprinzip der GTA Serie deutlich: Sie spielt mit den ethischen und moralischen Vorstellungen der Spieler. Niko Bellic ist schon in der Story kein politisch korrekter Held, jedoch ist dem Spieler vollkommen frei gestellt, wie er Niko abseits der Story spielt und ob er sich an die Gesetze von Liberty City hält.

Man kann Liberty City durchaus auch zielgerichtet erkunden. Auf einer stets einblendbaren Karte sind alle interessanten Punkte der Stadt verzeichnet; wenn man also ins Kabarett will oder zum Bowling, genügt ein Blick auf die Karte, und das GPS zeigt einem sicher den Weg. Doch am Ziel angekommen ist noch lange nicht Schluss: Im Kabarett bekommt man tatsächlich eine Vorstellung zu sehen, und beim Bowling muss man ebenfalls selber ran, um die Pins abzuräumen. Solche Minispiele stehen zahlreich auf dem Programm, wenn man mal keine Lust auf die rigide Missionsstruktur des Spiels hat.

Um dann doch mal eine Mission anzugehen, fährt man zu einer der bereits kennen gelernten Kontaktpersonen. Dort angekommen, gibt es eine Filmszene zu sehen, die das Ziel der Mission beschreibt. Anschließend fährt man zum Zielpunkt der Mission, der nun auf der Karte zu sehen ist. Dort angekommen, wird der Auftrag ausgeführt, was häufig mit wilden Schußwechseln einhergeht. Hierzu kann sich Niko einer Vielzahl von Waffen, von Pistolen über Sturmgewehre bis hin zu Raketenwerfern, bedienen. Auf Knopfdruck geht er hinter Mauern, Autos oder Fässern in Deckung, um von dort das Feuer auf die Gegner zu eröffnen. Diese Schießereien sind äußerst blutig, getroffene Feinde gehen schreiend zu Boden, winden sich manchmal noch unter Schmerzen und flehen um ihr Leben, wenn sie nicht sofort getötet worden sind.

Doch auch abgesehen von den gewalthaltigen Missionen ist „Grand Theft Auto 4“ ein äußerst brutales Spiel, dass in den Händen von Kindern und Jugendlichen nichts verloren hat. Bei der Raserei in gestohlenen Vehikeln auf den Straßen Liberty Citys überfährt man auch schon einmal den einen oder anderen Fußgänger, um einen herum passieren ebenfalls Verbrechen – so stehlen auch computergesteuerte Personen Autos, überfallen Passanten oder zetteln Schlägereien und Schießereien an. „Grand Theft Auto 4“ simuliert einen lebendigen Großstadtmoloch, in dem sich der Spieler frei bewegen kann, und er hat dann auch alle Möglichkeiten, die ihm diese Freiheit bietet. So ist es durchaus möglich, in einen Waffenladen zu gehen, sich mit den notwendigen Waffen einzudecken und einen Amoklauf in den Straßen der Stadt zu begehen. Genau so gut kann er mit einem gestohlenen Wagen in eine Menschengruppe rasen oder wahllos die Besucher eines Schnellimbiss zusammenschlagen. Das Spiel sanktioniert dieses Verhalten mit der Zunahme des Fahndungslevels. Je schwerer die Straftaten sind, die die Spielfigur begeht, desto mehr Polizei ist dem Spieler auf den Fersen. Dies fängt bei einfachen Streifenwagen an, geht über den Einsatz von Hubschraubern bis hin zum Einsatz des Militärs bei besonders schwerwiegenden Verbrechen.

Und auch die „legalen“ Aktivitäten haben es teilweise in sich: So ist es beispielsweise möglich, Prostituierte anzuwerben oder einen Stripclub zu besuchen, in dem man tatsächlich auch jede Menge nackte Haut zu sehen bekommt; einen privaten Lapdance nicht ausgeschlossen. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch möglich, sich sehr gesittet zu verhalten und beispielsweise eine Sightseeing-Tour zu unternehmen, die ihn zur „Statue of Happiness“ (der Spielvariante der Freiheitsstatue) oder ähnlichen Anspielungen auf das reale New York führt. Die Möglichkeiten sind schier endlos; es bleibt dem Spieler überlassen, wie er damit umgeht. Und genau hier liegt das Problem: Mündige Spieler werden wissen, wie sie mit dieser Thematik umgehen müssen; Kinder und Jugendliche besitzen dieses differentielle Denken jedoch noch nicht und sollten daher unbedingt von diesem Spiel ferngehalten werden.

In diesem Zusammenhang sollte noch erwähnt werden, dass das Spiel mit all seinen Inhalten sehr ironisch umgeht. Es persifliert den „American Way of Life“ in jeder Spielminute. Besonders deutlich wird dies in den Radiosendungen, die man immer, wenn man in einem Auto sitzt, im Radio hören kann. Dort gibt es beispielsweise Werbespots für Wahlkandidaten, die den jeweiligen Wahlgegner auf das Übelste diffamieren und ihm beispielsweise Sexskandale vorwerfen. Terrorwarnungen und allgemeine Panikmache seitens der Politiker sind an der Tagesordnung, aber stets in völlig überzeichneter Art und Weise. Überhaupt werden alle Inhalte gnadenlos überspitzt dargestellt; es wird in der Darstellung immer an die Grenze gegangen – ein weiteres Stilmittel der Ironie. Aber auch diese ist für jüngere Spieler sicherlich selten erkennbar.

Schließlich ist noch die im Spiel verwendete Sprache zu erwähnen. Diese ist mehr als nur derb; in beinahe jedem Satz findet sich ein „fuck“ oder „shit“, und das sind noch die harmloseren Ausdrücke, die in den Dialogen Verwendung finden. Für die Unterwelt-Thematik des Spiels ist diese Sprache durchaus passend; für Kinder und Jugendliche jedoch mit Abstand zu heftig.

Wer keine Lust mehr auf den Einzelspieler-Modus hat, der wird sicherlich mit dem Mehrspieler-Teil des Spieles glücklich. In gut einem Dutzend unterschiedlicher Spielmodi ist es hier möglich, sich mit anderen „Grand Theft Auto 4“-Spielern zu messen oder kooperativ mit ihnen zu agieren und Liberty City unsicher zu machen.
Noch ein paar Worte zur Steuerung und Aufmachung des Spiels. „Grand Theft Auto 4“ wird wie bereits oben erwähnt aus einer Third-Person Ansicht gesteuert; die Kamera befindet sich dabei über und hinter der Spielfigur. Dies kann bei mancher Autofahrt zu Problemen führen, da nicht immer die gesamte Straße zu sehen ist, funktioniert in der Regel jedoch sehr gut. Die Grafik ist überzeugend; die zahlreichen Explosionen wirken fantastisch und auch das Mienenspiel der zahlreichen Charaktere kommt sehr gut rüber. Eine besondere Bemerkung verdient die Musik des Spiels. Wann immer man ein Radio zur Verfügung hat (also in beinahe jedem fahrbaren Untersatz), kann man aus 19 verschiedenen Sendern wählen, in denen nahezu jede vorstellbare Musikrichtung, von Hip Hop über Electro bis hin zu Classic Rock, zu hören ist. Mit über 100 lizenzierten Musiktiteln, die zudem noch immer von einem DJ begleitet werden, kommt hier so schnell keine Langeweile auf.
„Grand Theft Auto 4“ bietet durch diese verschiedenen Versatzstücke eine Mischung von Popkulturelementen, wie es sie bisher so noch nicht gab. Hochwertige Filmsequenzen, Musik der unterschiedlichsten Stilrichtungen, verschiedene Moderichtungen, Fernsehsender, Internet, ein Multifunktionshandy und vieles mehr verbindet dieses Spiel in so geschickter Weise, dass der Spieler so viele Aha-Erlebnisse hat wie in keinem anderen Computerspiel zuvor. Natürlich spielt die Gewalt eine große Rolle im Universum der GTA-Serie, wer das Spiel jedoch ausschließlich auf diesen Punkt reduziert, lässt viele andere Faktoren außer Acht, die zur Faszination und dem Erfolg eines „Grand Theft Auto 4“ ebenso beitragen.

Abschließend ist zu erwähnen, dass man auf eine Synchronisation ins Deutsche verzichtet hat. Der Spieler kann der Story jedoch, dank deutscher Untertitel, sehr gut folgen. Spieler die des Englischen nicht mächtig sind, verpassen aber leider viele Details, wie die Radiomoderatoren oder Gespräche auf der Straße. Gerade Einzelheiten lassen die Spielwelt lebendig erscheinen und enthalten so manchen ironischen Seitenhieb auf das amerikanische System. Diese Provokationen abseits der Gewalt werden leider allzu oft übersehen, wenn über die GTA-Serie diskutiert wird. Liberty City gleicht der realen Welt in machen Dingen mehr als es dem ein oder anderen lieb sein ist. Nicht schwarz oder weiß ist die dominierende Farbe in diesem Spiel, sondern das Grau in all seinen Fassetten dazwischen – eben ganz wie die Realität.

Fazit
„Grand Theft Auto 4“ ist ein Spiel, dass mit seiner nahezu unbegrenzten Freiheit zu begeistern weiß. Was auch immer man in Liberty City unternehmen will, fast alles ist möglich: Bowling, Billard oder Dart spielen, ein Besuch im Kabarett oder Comedy Club, ein Barbesuch und und und. Selbst ein Trip in das nächste Internetcafe ist möglich. Dort lassen sich hunderte von fiktiven Websites ansurfen, Emails checken oder Kontaktanzeigen aufgeben. Wer also ein Spiel mit hohen Freiheitsgraden und einer grandios simulierten Großstadtwelt sucht, wird hier bestens bedient, aber auch, wer einfach ein spannendes Action-Adventure sucht, wird bei GTA 4 fündig. Wichtig ist nur, dass es sich um einen mündigen und der Differenzierung mächtigen Spieler handelt, denn „Grand Theft Auto 4“ ist auch ein brutales, überaus hartes Spiel, dessen ironische Untertöne manchmal nicht ganz so leicht zu entdecken sind. Also: Erwachsene Spieler erwartet eine fantastische, offene Spielwelt, die immer wieder Überraschungen bereithält und mit einer überaus spannenden Story aufwartet.
Jedoch muss am Ende noch einmal klar daraufhin gewiesen werden: GTA 4 gehört auf keinen Fall in die Hände von Kindern und Jugendlichen, dieses Spiel ist reine Erwachsenenunterhaltung.

02.07.2008 um 16:28
Tobias Miller (Redaktion spielbar.de) schreibt:

Ein bemerkenswertes Beispiel für die Fankultur rund um Grand Theft Auto IV ist die Liberty City Map. Fans haben in Eigenleistung aus 80.000 Screenshots der an New York City angelehnten Spielumgebung eine Anwendung kreiert, die in ihrer Funktionalität dem Dienst Google Maps Street View gleicht. Mit der Liberty City Map kann man sich auf den Straßen der Stadt frei bewegen.

http://www.gta4.net/map/

07.06.2011 um 10:11