spielbar Interviewserie

Ein Tag im Leben eines E-Sportlers

30.05.2012
Feste Trainingszeiten, Wettkämpfe und Preisgelder – E-Sport ist in Deutschland ein Massenphänomen und bringt Millionen begeisterter Fans zusammen. Doch was macht professionellen E-Sport eigentlich aus? Ein Blick hinter die Kulissen mit Pro-Gamer Christoph „disruptor“ Dölger.

Für das erste Interview unserer neuen Serie „Ein Tag im Leben…“ konnten wir Christoph „disruptor“ Dölger gewinnen. Der 26 Jährige studiert Informatik in Oldenburg und ist Captain des Counter-Strike: Source-Profiteams des n!faculty e.V.. Mit über 10 Jahren Spielerfahrung gehört er zu den besten Counter-Strike-Spielern Deutschlands. Seit Januar 2011 ist er wieder bei n!faculty unter Vertrag und bestreitet mit seinem Team erfolgreich Wettkämpfe in der EPS, der professionellen Liga der Electronic Sports League (ESL).

spielbar: Du hast erst kürzlich mit dem n!faculty-Team in der Gaming Bundesliga (ESL Pro Series / EPS) den zweiten Platz bei Counter-Strike: Source geholt. Glückwunsch dazu! Aber wie bist du eigentlich zu dem Gamer geworden, der du heute bist? Was waren die Stationen auf dem Weg zum Pro-Gamer?

Christoph Dölger: Über die vielen Jahre, die ich nun in dem elektronischen Sport dabei bin, konnte ich viele und wichtige Erfahrungen sammeln, die mich heute zu stetigen Topleistungen bringen. Angefangen habe ich 2001 mit Counter-Strike, welches in der Schule bei Freunden auf „Keller-LANs“ gespielt wurde. Dort war der erste Kontakt mit dem Multiplayerspielen mit anderen. Als ich dann einigermaßen gut war, habe ich mit einem lokalen Team an einigen LAN-Partys teilgenommen und konnte viele Top Ergebnisse erzielen. 2005 kam dann der Nachfolger des Spiels „Counter-Strike: Source“ und mit diesem Titel ging es für mich dann richtig los. Ich habe mit dem neuen Spiel einen tollen 2on2 Kollegen kennen gelernt und mit ihm zusammen kurze Zeit später ein eigenes 5on5 Team aufgestellt. In dieser Zeit haben wir viele LANs und Turniere gewonnen. Wir hatten Matches, welche beim Kabel-TV-Sender „Giga“ übertragen wurden und ich fing an Preisgelder einzuspielen. Ich war bei fast allen Deutschen Meisterschaften im Finale und wurde es letztendlich auch des Öfteren. All diese gesammelten Eindrücke und Erfahrungen helfen mir gut zu sein und auf Offline-Turnieren, die nicht von zuhause aus gespielt werden, gute Leistung zu bringen, da ich weiß auf was ich achten und was ich wie einstellen muss. Ich bin immer am Ball geblieben, habe erfahren wie sich das Spiel weiterentwickelt und bin mit dieser Entwicklung mitgegangen.

spielbar: Du bist Captain des Counter-Strike Profi-Teams bei n!faculty. Was sind Deine Aufgaben und was muss man dafür alles mitbringen?

Christoph Dölger: Ich wurde letztes Jahr von n!faculty mit der Aufgabe engagiert, ein junges Team zu formen, welches in drei Saisons wieder in den Top 4 Deutschlands, also ganz oben, mitspielt und gleichzeitig Jung genug für weitere zukünftige Erfolge ist.
Wichtig hierbei war es für mich als erfahrener Spieler erst einmal junge Talente zu finden, welche die nötige Einstellung, Fähigkeiten und Perspektive besitzen. Dann ging es dazu über, dass ich die Spieler durch das Training ausbilde und stetig verbessere. Des Weiteren bin ich als Captain für die taktischen Ansagen im Spiel zuständig. Ich entwickle in meiner Freizeit viele Taktiken und stelle mein Team auf die sich ändernde Spielweise ein. Letztendlich bin ich als Captain der Ansager, Trainer und darüber hinaus noch Ansprechperson für jeden Spieler.
Als Captain in einem Counter-Strike Team muss man teamfähig, ehrgeizig und konfliktfähig sein.

spielbar: Counter-Strike ist bei Jugendlichen wie jungen Erwachsenen eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Was sind die Unterschiede zwischen CS als Hobby und als Pro-Gaming, wie ihr ihn bei n!faculty betreibt?

Christoph Dölger: Der Unterschied besteht in der Sichtweise des „Spielens“. Als Pro-Gamer spielt man das Spiel wettbewerbsorientiert und trainiert dieses über das normale „Hobby“-Spielen hinaus. Man misst sich permanent mit anderen und nimmt an Ligen/Turnieren teil, um diese zu gewinnen oder zumindest gut abzuschneiden! Das bedeutet natürlich auch, dass man sich an Trainingszeiten halten muss, da man nur zusammen als Team gegen andere trainieren kann. Als Hobbyspieler spielt man nur dann, wenn man möchte. Wir müssen auch trainieren, wenn wir mal keine Lust haben.

spielbar: Wie oft bist du denn de facto hinterm Monitor? Wie viel Zeit nehmen Training und Wettkämpfe in Anspruch und was fällt noch alles ins Zeitbudget? Bleibt da noch Zeit für Anderes?

Christoph Dölger: Das ist schwierig zu sagen, da ich es ja nicht nur als Training und Sport, sondern auch als Hobby ansehe. Wir trainieren zwischen drei und fünf Tagen in der Woche á drei Stunden am Tag; Wir fangen ab 19 Uhr an. Dementsprechend sind es also neun bis 15 Stunden in der Woche reine Trainings-/Spielpraxis-Zeit. Hinzu kommen dann noch stundenlange Analysen von Gegnern und die (Weiter-)Entwicklung der eigenen Taktiken. Dies variiert jedoch stark und kann ich daher nur sehr schwer abschätzen. Wenn ich nicht „zocke“, verlangt mein Studium meine volle Aufmerksamkeit. Nebenbei tätige ich, soweit es geht, jeden Tag Kraft- sowie Ausdauersport (Jogging) in meiner Freizeit.
Wenn man jedoch am Wochenende auf Endausscheidungen/Finals fährt, muss man seinen Freunden schon mal das Feiern absagen. Allerdings finden solche Events nur an wenigen Wochenenden statt, sodass stets genug Zeit für Freunde bleibt.

spielbar: E-Sport hat ja trotz allem noch mit Vorurteilen zu kämpfen. Kritiker meinen, ihr verbringt zu viel vor dem Bildschirm? Welche Erfahrung hast du gemacht? Wie hat deine Familie dein „Hobby“ aufgenommen?

Christoph Dölger: Durch meine E-Sport-Laufbahn habe ich viele Bilder und Videos gesammelt, welche ich gerne meiner Familie zeige und die freuen sich dann sehr darüber, was wir in dem Sport erreichen. Sie sehen die Aufmerksamkeit, die Fans sowie das Preisgeld was hereinkommt. Meine Familie sieht in dem was ich mache meinen Sport und freut sich, dass wir öfter mal mit gestellten Mietwagen unterwegs sind, in Hotels nächtigen und ums Preisgeld unseren Sport ausführen und all das von unserem Verein, bei dem wir unter Vertrag stehen, bezahlt wird.
Trotz dieser Events bleiben die meisten Wochenenden zum Feiern mit Freunden frei und werden auch genutzt, sodass das soziale Umfeld selbstverständlich gepflegt wird. E-Sportler sind keine „Keller-Kinder“, die völlig vereinsamt und isoliert von sozialen Kontakten sind. In meinen Augen sind Leute, die Stundenlang am Tag Spiele nur als Zeitvertreib/Hobby spielen dafür gefährdeter, da es mehr oder weniger „verzockte“ Zeit ist. Wir E-Sportler haben unseren Sport gefunden und üben diesen auch mit dem entsprechenden Engagement aus. Immer auch mit dem Ziel so gut zu sein, um einen Benefit zu erspielen; Sei es das Geld oder das messen mit anderen. Es gibt da meiner Meinung nach einen riesigen Unterschied zwischen den E-Sportlern und den sogenannten „Casuals“.

spielbar: Euer Ergebnis in der ESL Pro Series wurde mit 5.100€ Preisgeld honoriert. Was passiert eigentlich damit? Kann man am Ende sogar vom E-Sport leben?

Christoph Dölger: Dieses Preisgeld wird anteilig an jeden der fünf Spieler im Team aufgeteilt und jeder macht damit was er möchte. Neben solchen Preisgeldern nehmen die Spieler noch durch ihr Gehalt Geld ein, also würde ich schon sagen, dass man vom E-Sport leben könnte, wenn man dies möchte. Einige Spieler anderer Spieletitel tun dies bereits und auch im Ausland gibt es vollprofessionelle Spieler. Ich werde allerdings nach dem Studium deutlich mehr verdienen sodass es für mich keine Option darstellt. Nichtsdestotrotz versuche ich dennoch weiterhin im E-Sport aktiv zu sein, da es noch immer ein schönes Hobby / schöner Sport ist und meine Erfahrungen, wenn nicht als Spieler, dann eventuell als Trainier gefragt sind.

spielbar: Vielen Dank für das Interview!

Bild: Das Counter-Strike: Source Profiteam von n!faculty

Christian Knop
Dieser Artikel wurde verfasst von:

Siehe auch

Spielbeurteilung

Counter-Strike (2000)

Counter-Strike ist ursprünglich eine von Menschen aus der Community selbst erstellte Mod des Ego-Shooters Half Life. Das Spiel hat sich aufgrund der großen Fangemeinde unter Spielenden zum weltweit bekanntesten Multiplayer-Ego-Shooter entwickelt.

Bildnachweise

[1]Spielbar.de[2]Valve

2 Kommentare

spielbar Interviewserie Ein Tag im Leben eines E-Sportlers schreibt:

[...] spielbar Interviewserie Ein Tag im Leben eines E-Sportlers [...]

31.05.2012 um 22:11
Jay schreibt:

gehalt? aha, wird es auch versteuert? wohl nicht....

02.06.2012 um 19:34